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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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durfte nicht jeden Gegenstand hier bewerten, er musste sich ein objektives Bild machen, es zumindest versuchen. Bewegungslos blieb Thomas im winzigen Flur stehen und überprüfte im Spiegel den Sitz seiner lächerlichen Haube. Er musste grinsen, es war das Outfit für den Sonntagabendkrimi. Die Türen zu den beiden angrenzenden Räumen standen offen. Auf Möbeln, Schubladengriffen und Türrahmen lag ein Pulver, die Reste der Spurensicherung. Bestimmt hatten sie den Teppichboden abgesaugt, um genetisches Material zu finden.
    |135| Dann fiel sein Blick auf die Stelle, an der Alexandras Leiche gelegen hatte. Sie war markiert, das Blut der Kopfwunde war in den Teppich eingesickert, anders war der dunkle Fleck nicht zu erklären. Aber es ließ ihn kalt, so wie alles hier, als wenn nach dem Schreck vor dem eigenen Spiegelbild jedes Gefühl ausgeschaltet worden wäre.
    Alexandra hatte zwei Zimmer bewohnt. Der Schreibtisch stand im Schlafzimmer, daneben ein Bücherregal. Anders als bei ihm und seinen Mitbewohnern, wo der Arbeitsbereich alles dominierte, war er hier eine Randerscheinung, und Thomas wunderte sich über die wenigen Bücher und die wenigen Ordner. Ungeordnete Papiere, deren Bearbeitung man immer wieder verschob, lagen überhaupt nicht herum. Alles war picobello aufgeräumt und wirkte steril. Aber als zwanghaft ordnungsliebend hatte er Alexandra nicht erlebt. Diese Frau hatte studiert? Sie war mehr der Typ für Netzwerke und Protektion gewesen.
    Er fand Unterlagen über Mathematik und Statistik, zur BWL und zum Marketing, es gab Skripte zum Wein- und Unternehmensrecht, zum Weinbau lediglich ein Lehrbuch über Ampelographie. Er griff danach und blätterte es durch, mit den Gummihandschuhen war es ein fremdartiges Gefühl. Bekannt waren hingegen die abgebildeten Rebstöcke, dazu die charakteristischen Merkmale jeder Weinrebe, angefangen bei der französischen Abouriou bis zum Zweigelt, gezüchtet an der Weinbauforschungsanstalt Klosterneuburg in Österreich. Hier in Geisenheim war es der Müller-Thurgau gewesen, Riesling und Silvaner, gekreuzt von Dr.   Müller aus dem schweizerischen Thurgau, und dabei waren beide nicht besser geworden.
    Thomas stellte das Buch zurück an seinen Platz und wunderte sich über die Menge an Lehrbüchern zu Chemie, Biotechnologie und Agrogenetik. Damit hatte sie sich beschäftigt? Das Bücherregal, erst jetzt fiel es ihm auf, sah leer geräumt aus, und als er die Regalbretter genau betrachtete, |136| bemerkte er die Staubränder. Hier hatten bis vor Kurzem Bücher gestanden, jeder Zweifel war ausgeschlossen. Hatte die Kripo sie mitgenommen? Welche Titel hatte sie gewählt und warum? Auf dem Schreibtisch stand ein Flachbildschirm, aber der Rechner fehlte, die Anschlusskabel lagen auf dem Boden. Ein Laptop hatte sie auch benutzt, Thomas hatte sie damit an der FH gesehen, auch das war weg. In den Schubladen fanden sich weder US B-Sticks noch handschriftliche Notizen, keine CDs, dafür aber Rohlinge. Hatte der vorherige Besucher »aufgeräumt«?
    Thomas lauschte. Er hörte nichts, kein Geräusch von Leben außer dem von Autos, das Rauschen der B 42.   Fotos standen weder auf dem Nachttisch noch hingen welche an den Wänden, da war lediglich der Vorlesungsplan, und wo vorher Notizen gehangen hatten, steckten Nadeln in der Raufasertapete. Wo hatte die Zeitung das Foto von Alexandra und Manuel im Cabrio her? Er hob die Klamotten im Kleiderschrank an, ohne zu glauben, dort etwas zu finden, außerdem hatte die Polizei das sicher längst getan. Was ihn interessierte, waren Fotoalben oder Briefe. Er ging ins Wohnzimmer und achtete darauf, nur auf die Stellen des Teppichs ohne polizeilichen Staub zu treten.
    Die Möbel waren neu, Kirsche und schwarzes Leder, ziemlich teuer, im Stil der sechziger Jahre und jetzt hochmodern. Auf dem Sideboard stand eine Stereoanlage unter dem Großbildschirm. Manuel hatte tief in die Tasche gegriffen.
    Thomas ging zurück ins Schlafzimmer und schlug den Ordner »Privat« auf. Bereits unter B wurde er fündig. Sie hatte Bafög bekommen, den Höchstsatz, 648   Euro. Das war allein die Miete. Ohne Manuel als Sponsor wäre es nie gegangen. Oder gab es noch einen zweiten?
    Thomas suchte nach dem Mietvertrag, aber er fand nichts, lediglich einen Handyvertrag, Bescheinigungen der Krankenkasse, Studienbescheinigungen, Zeugnisse, Prospekte eines französischen Weingutes, Bescheinigungen über |137| bestandene Reitprüfungen, ein Basispass Pferdekunde (die armen Tiere)

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