Riesling zum Abschied
Manuel ...«
»Was gibt es Schlimmeres als Knast? Sag mir das! Für dich würde ich mich genauso einsetzen.«
»Das ist fies, Thomas, das ist moralisch. Du gibst mir keine Chance, du lässt mich nie ausreden, du willst gar nichts verstehen, du brüllst nur deinen Frust raus ...«
»Soll ich mich etwa freuen?«
»Du fällst mir schon wieder ins Wort. Halt verdammt noch mal fünf Minuten die Klappe!« Jetzt war Regine laut geworden.
Thomas zuckte zurück. So hatte er seine Mitbewohnerin noch nie erlebt, und verwundert sah er Regine an.
»Was guckst du? Bei dir hat keiner das Recht, Fehler zu machen, du und dein perfekter Vater, das unfehlbare A-Team . Als dritten Mann habt ihr euch Manuel ausgesucht und ihn aufgebaut, so wie ihr ihn haben wollt, weil er sich nicht wehrt. Die drei supergeilen Weinmacher aus der Pfalz – auf dem Weg nach oben! Unaufhaltsam. Und kochen könnt ihr auch. Johanna Breitenbach sorgt fürs ökologische Gewissen, absolut perfekt – ohne jeden Schadstoffausstoß und politisch korrekt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eure Weine alle bei neunzig Parker-Punkten liegen, die MUNDUSvini-Goldmedaille kriegen und den Sonderpreis der London Wine Challenge ...« Sie schnappte nach Luft. »... bis eure Fotos in ›Vinum‹ erscheinen, dann im britischen ›Decanter Magazine‹, danach ein Porträt im österreichischen ›Falstaff‹, und ihr werdet Mitglied beim Verband der Prädikatsweingüter ...«
Außer Atem und über ihre eigene Frechheit erstaunt hielt Regine inne – und Tränen kullerten ihr über die Wangen.
Thomas war entsetzt, er war baff. Er riss ein Blatt von der |230| Küchenrolle ab und hielt es Regine in einer hilflosen Geste hin.
»Bitte, hör auf zu heulen. Ich meine es nicht so, Regine, ich bin fertig. Ich weiß mir keinen Rat mehr ... Aber dass du so über uns denkst?« Thomas starrte Regine an. Er hatte geglaubt, sie wolle lediglich für sich sein, aber ihre letzten Worte zeigten eine andere Haltung. Das war ein Mischmasch aus Neid, Ablehnung und Ausgeschlossensein. War es das? Manuel und er hatten Hoffnungen, sie redeten ständig von ihrem Weingut, ihren Möglichkeiten und dem riesigen Experimentierfeld – und Regine? Sie musste sich mit ihrem verstaubten Alten rumschlagen, der ihr statt des Betriebs eines Tages nur Hypotheken hinterließ.
»Nein, Thomas, ich denke nicht so über euch, und doch bin ich wütend, ich ...« Sie stammelte und hatte Mühe, sich zu fassen. »Ich meine es gar nicht so. Willst du wissen, weshalb ich mich in letzter Zeit zurückgezogen habe, willst du das wirklich wissen?«
Thomas nickte wortlos, er war zu aufgewühlt, um etwas sagen zu können. Regines Ausbruch erschütterte ihn, gleichzeitig bedauerte er, dass er sie zum Weinen gebracht hatte. Andererseits imponierte es ihm, dass sie endlich mal Contra gab, auch wenn es sich gegen ihn richtete. Mit ihrer Kritik hatte sie ihn nicht wirklich getroffen, dazu war er zu sehr von dem überzeugt, was er tat. Manuel und er hatten Regine nie ausgegrenzt, sie hatten sie immer wieder eingeladen. Sie war nie mit in die Pfalz gekommen – vielleicht weil sie es nicht ertragen hätte, zu erleben, wie sie sich einen Traum erfüllten?
»Dann hör mir jetzt mal zu, Thomas, und lass dir was erklären.« Regine gewann langsam ihre Ruhe zurück. »Sicher bin ich auch mit schuld, aber andererseits auch wieder nicht. Ich kann nichts dafür, dass das mit Thorsten anfing, als sie Manuel abgeholt haben. Ihm, also Thorsten, hat es von Anfang an nicht gepasst, dass ich mit zwei Männern |231| zusammenwohne. Der kommt vor Eifersucht um. Jeden Tag höre ich mir seine Nörgelei an, und ich habe gedacht, dass Manuel vielleicht auch ... in seiner Eifersucht ... du weißt ja, wie schwierig das mit Alexandra war.«
»Du hast geglaubt, dass Manuel Alexandra ...?«
»Ja, zuerst nur, weil Thorsten mich so verrückt gemacht hat, der hat sich von mir sogar den Studienplan zeigen lassen. Ich dachte, er ist an meinem Studium interessiert, aber er wollte lediglich wissen, wo ich wann bin, verstehst du? Er ist ein Kontrollfreak, manisch, das erkennst du an seinem Weinberg. Da liegt nicht ein welkes Blatt. Dann hat er gefragt, ob ich mit euch beiden was habe, das sei in Kommunen so üblich.«
»So blöd kann man doch nicht sein. Wahrscheinlich liest er zu viel Bild-Zeitung. Dann hat er sicher den Quatsch über Manuel gelesen, den die Rosa Handtaschen verbreitet haben?«
Jetzt machte Regine ein
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