Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)

Es gibt immer eine Lösung für ein Problem, und ich glaube, ich habe auch in diesem Fall eine gefunden.«
    Die beiden Polizeibeamten schauten sie prüfend an.
    »Ach ja?«
    »Ja. Ich – ich habe letzte Nacht kein Auge zugetan und überlegt, was ich machen soll. Ich habe mich entschieden, diese Leute aufzusuchen. Ich werde nach New York fliegen, um von Frau zu Frau mit Mrs Revere zu sprechen. Sie hat ihren Sohn verloren. Ich habe meinen Ehemann verloren. Wir beide würden gerne anderen Leuten die Schuld geben, damit unsere Verluste irgendeinen Sinn haben. Ich denke ständig an diesen dämlichen Bergführer, der meinen Mann bei solchen Witterungsbedingungen niemals zu dieser Piste hätte führen dürfen. Aber keine Rache der Welt wird Kes zurückbringen oder meinen Schmerz lindern. Ich muss einen Weg finden, nach vorn zu schauen. Und das Gleiche gilt auch für sie und ihren Mann.«
    »Ich weiß auch ein bisschen was über Verluste«, erklärte Roy Grace sanft. »Ich habe diese Erfahrung gemacht und kann sie nachvollziehen. Aber nachdem, was ich über diese Familie weiß, halte ich einen Besuch für keine gute Idee – und die Sussex Police würde ihn ganz gewiss nicht gutheißen.«
    »Wieso nicht?«, fragte sie so heftig, dass Grace sie verblüfft ansah.
    »Weil wir für Ihre Sicherheit verantwortlich sind. Hier in Brighton kann ich Sie schützen, in New York aber nicht.«
    Sie wandte sich an Glenn Branson. »Gestern Abend haben Sie mir gesagt, Sie könnten mich nur vierzehn Tage lang schützen, oder?«
    Er nickte. »Vor Ablauf dieser Frist würden wir die Situation allerdings noch einmal bewerten.«
    »Aber Sie können mich nicht mein Leben lang schützen. Und davor habe ich Angst. Ich kann in den nächsten fünfzig Jahren nicht ständig über die Schulter schauen. Ich muss jetzt damit klarkommen.« Sie schwieg kurz. »Sie würden mich also davon abhalten, dorthin zu fliegen?«
    Grace breitete die Arme aus. »Das steht nicht in meiner Macht. Aber ich kann nicht für Ihre Sicherheit garantieren, wenn Sie es tun. Ich könnte Ihnen einen Beamten mitgeben, aber der würde außerhalb seiner Zuständigkeit ohnehin nicht viel ausrichten –«
    »Ich fliege allein«, erwiderte sie entschlossen. »Ich kann mich um mich selbst kümmern. Ich komme damit klar. Ich habe ständig mit schwierigen Leuten zu tun.«
    Glenn Branson bewunderte ihre Entschlossenheit und wünschte insgeheim, diese verängstigte und doch so mutige Frau würde ihn bei seiner Scheidung vertreten und nicht der Waschlappen, für den er sich entschieden hatte.
    »Mrs Chase«, sagte Roy Grace, »uns liegen einige Informationen über die Familie Revere vor. Möchten Sie sie hören, bevor Sie Ihre endgültige Entscheidung treffen?«
    »Alles, was Sie mir sagen können, wäre hilfreich.«
    »Na schön. Bis vor kurzem besaßen sie einen Club in Brooklyn, The Concubine . Sie luden ihre Feinde auf einen Drink dorthin ein, und wenn sie als Ehrengäste eintrafen, führte man die Unglücklichen in die VIP-Lounge, die sich im Keller befand. Wenn sie dort eintraten, wurden sie von drei Männern begrüßt. Einer war ein großer Italo-Amerikaner, der den Spitznamen Dracula trug, weil er wie Bela Lugosi aussah. Ein vierter Mann, den man nie zu sehen bekam, schoss ihnen mit einer schallgedämpften Pistole in den Hinterkopf. Dracula ließ sie in einer Badewanne ausbluten. Ein weiterer Helfer, der als Metzger angefangen hatte, zerlegte ihre Leichen in sechs Teile. Der dritte verpackte die Gliedmaßen, den Oberkörper und den Kopf und entsorgte sie auf verschiedenen Müllkippen im Umkreis von New York wie auch im Hudson River. Man schätzt, dass sie über hundert Menschen getötet haben. Sal Giordino, der Großvater von Tony Revere, sitzt zurzeit elf lebenslängliche Haftstrafen ab. Begreifen Sie jetzt, mit wem Sie es zu tun haben?«
    »Ich habe nach ihnen gegoogelt«, erwiderte sie. »Es gibt eine Menge über Sal Giordino, aber kaum etwas über seine Tochter. Und nach dem, was Sie mir über deren Welt erzählt haben, habe ich doch umso mehr Grund, diese Frau zur Vernunft zu bringen, oder?«
    »Diese Leute sind für Vernunft nicht zugänglich«, erklärte Grace.
    »Geben Sie mir wenigstens die Chance, es zu versuchen. Haben Sie die Adresse?«
    »Möchten Sie Mrs Revere nicht vorher anrufen oder anmailen, um zu sehen, wie sie reagiert?«
    »Nein, es muss persönlich passieren, von Mutter zu Mutter.«
    Die beiden Kriminalbeamten sahen einander an.
    »Ich kann die Adresse unter