Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
Chase tickt«, erwiderte Grace.
»Das ist einfach. Das kann ich dir sagen, ohne als Seelenklempner zweihundertfünfzig Mäuse pro Stunde in Rechnung zu stellen. Sie hat Angst. Kapierst du das, Oldtimer? Sie hat beschissene Angst. Und das kann ich ihr nicht verdenken. Die hätte ich auch.«
Grace nickte.
»Es ist beschissen, wenn Leute das Gefühl haben, wir könnten sie nicht beschützen, oder?«
»Das können wir ja – aber nur, wenn sie beschützt werden wollen«, erwiderte Grace. »Wenn sie bereit sind, umzuziehen und ihre Identität zu ändern, können wir ihnen eine ziemlich große Sicherheit garantieren. Aber ich kann verstehen, wie sie denkt. Ich würde auch nicht mein Zuhause und meinen Job aufgeben wollen und meinen Jungen aus der Schule nehmen. Aber das machen andere Leute ständig und nicht nur, weil sie gejagt werden.«
»Sollen wir sie einfach allein nach New York fliegen lassen? Müsste sie nicht jemand begleiten? Vielleicht Bella?«
»Von den Kosten einmal abgesehen, sind wir dort in keiner Weise zuständig. Wir können nur hoffen, dass die New Yorker Polizei sich um ihre Sicherheit kümmert. Wir werden das Haus bewachen – immerhin sind ihre Mutter und ihr Sohn alleine dort – und als Vorsichtsmaßnahme auch jemanden hinterherschicken, wenn er zur Schule gebracht wird. Unser Kontaktmann in New York scheint ein fähiger Mann zu sein. Er wird viel besser wissen, was zu tun ist, als unsere Leute.« Er verzog das Gesicht. »Und, nichts Neues von Ari?«
»Doch, schon. Allmählich wachsen ihr Hörner.«
77
CARLY WARTETE IN EINER LANGEN, gewundenen Schlange in der überfüllten Einwanderungshalle des Kennedy Airports. Alle paar Minuten sah sie besorgt auf die Uhr, die sie fünf Stunden zurückgestellt hatte, und las noch einmal die weißen Zollformulare durch, die sie im Flugzeug ausgefüllt hatte.
Ihre Nerven waren bis aufs Äußerste gereizt. Noch nie im Leben hatte sie sich so unsicher gefühlt.
Der Flug hatte fast zwei Stunden Verspätung gehabt, und sie hoffte, dass die Limousine, die sie online bestellt hatte, auf sie wartete. In England war es 22.30 Uhr, also 17.30 Uhr New Yorker Zeit, doch ihr kam es vor, als wäre es mitten in der Nacht. Vielleicht war die Bloody Mary, gefolgt von einigen Gläsern Chardonnay, doch keine so gute Idee gewesen. Sie hatte gehofft, der Alkohol werde sie beruhigen und ihr zu einigen Stunden Schlaf verhelfen, doch nun litt sie unter furchtbaren Kopfschmerzen und einem trockenen Mund. Sie stand vollkommen neben sich.
Sie erinnerte sich, wie sie letztes Jahr als Weihnachtsüberraschung mit Tyler nach New York geflogen war und sie beide furchtbar aufgeregt in ebendieser Schlange gewartet hatten.
Sie rief zu Hause an, doch als sich ihre Mutter meldete, trat ein wütender Mann in Uniform vor sie hin und deutete auf ein Schild, das die Benutzung von Handys untersagte. Carly entschuldigte sich und drückte das Gespräch weg.
Nach weiteren zwanzig Minuten hatte sie endlich die gelbe Linie erreicht und war als Nächste an der Reihe. Die Beamtin von der Einwanderungsbehörde, eine fröhliche, rundliche schwarze Frau, plauderte endlos mit dem dürren Mann mit Rucksack, der vor Carly stand. Als er endlich weiterging, trat sie vor und zeigte ihren Pass. Sie wurde gebeten, in eine Kameralinse zu schauen und die Finger auf ein elektronisches Kissen zu drücken.
Die Frau mochte zwar mit dem Mann gescherzt haben, doch nun war ihre gute Laune dahin.
»Fester drücken«, befahl sie.
Carly drückte fester.
»Ich bekomme kein Ergebnis.«
Sie drückte noch fester, worauf die roten Lampen endlich grün wurden.
»Und jetzt den rechten Daumen.«
Während sie fest zudrückte, runzelte die Frau vor ihrem Bildschirm die Stirn.
»Linker Daumen.«
Carly gehorchte.
Dann sagte die Frau plötzlich: »Sie müssen mitkommen.«
Verwirrt folgte Carly ihr hinter die Reihe der Schalter und durch eine Tür am Ende des Raums. Mehrere bewaffnete Einwanderungsbeamte standen plaudernd umher. Im Nebenzimmer saßen müde aussehende Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, die meist ins Leere starrten.
»Mrs Carly Chase aus Großbritannien«, verkündete die Frau mit lauter Stimme.
Ein großer Mann im karierten Sportsakko schlenderte auf sie zu.
»Mrs Chase?«
»Ja.«
»Ich bin Detective Investigator Lanigan von der Bezirksstaatsanwaltschaft Brooklyn. Die Polizei in Sussex hat mich gebeten, mich um Sie zu kümmern, während Sie hier sind.«
Sie schaute ihn an. Er schien über fünfzig zu
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