Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
den Rasen. Irgendetwas daran war ihr unheimlich. Sie hatte nicht den Rasen gemäht, nachdem Kes gestorben war. Sie hatte den Garten wild wuchern und das Haus zur Müllkippe werden lassen. Nur um Tylers willen hatte sie sich schließlich zusammengerissen.
Bevor sie es sich anders überlegen konnte, wurde die Haustür geöffnet, und eine Frau kam mit unsicheren Schritten heraus. Sie trug einen türkisfarbenen Jogginganzug und glitzernde Turnschuhe. Unter ihrem kurzen blonden Haar sah man ein attraktives, aber hartes Gesicht. Sie hielt in einer Hand ein Martiniglas und in der anderen eine Zigarette. Ihre ganze Haltung wirkte feindselig.
Carly ging zögernd auf sie zu. »Mrs Revere?« Sie versuchte zu lächeln, doch es funktionierte irgendwie nicht. »Fernanda Revere?«
Die Frau schaute sie aus kalten, harten Augen an. Es war, als blickte sie direkt in ihre Seele.
»Sie haben wirklich Nerven.« Die Worte klangen undeutlich und verbittert. »Sie sind in meinem Haus nicht willkommen. Steigen Sie wieder in Ihr Auto, und verschwinden Sie.«
Die Frau machte ihr Angst, doch Carly ließ sich nicht abschrecken. Sie hatte sich auf alle möglichen Reaktionen vorbereitet, auch auf diese, obwohl sie nicht damit gerechnet hatte, dass Fernanda Revere betrunken sein könnte.
»Ich bin von England hergeflogen, um mit Ihnen zu sprechen«, sagte sie. »Ich bitte Sie nur um wenige Minuten Ihrer Zeit. Ich gebe nicht vor zu verstehen, was Sie durchgemacht haben – aber wir haben etwas gemeinsam.«
»Tatsächlich? Wir atmen, das dürfte so ungefähr alles sein, was wir gemeinsam haben.«
Carly hatte geahnt, dass es nicht leicht werden würde, aber gehofft, dass sie mit der Frau ins Gespräch kommen und irgendeine gemeinsame Basis finden würde.
»Darf ich hereinkommen? Ich werde gehen, sobald Sie es verlangen. Aber lassen Sie uns bitte für ein paar Minuten miteinander reden.«
Fernanda Revere zog an ihrer Zigarette, stieß den Rauch durch Mund und Nase aus und warf die Kippe mit einer verächtlichen Bewegung ihrer juwelengeschmückten Hand weg. Sie landete in einem Funkenregen in der Einfahrt. Dann taumelte sie rückwärts, wobei ihr Glas überschwappte, und bedeutete Carly, sie solle eintreten. Der Hass in ihren Augen wurde durch die Neugier kaum gemildert.
Carly zögerte. Die Frau wirkte gefährlich und unberechenbar, und sie hatte keine Ahnung, wie ihr Mann reagieren würde. Inzwischen war sie froh, dass Detective Inspector Lanigan draußen vor dem Tor im Auto saß, und schaute zum wiederholten Mal auf die Uhr. Noch dreizehn Minuten bis zur ersten SMS.
Sie betrat eine pompöse Eingangshalle und folgte der Frau, die mehrmals gegen die Wand prallte, durch einen mit Antiquitäten eingerichteten Flur. Dann betraten sie ein palastartiges Wohnzimmer mit Musikantengalerie.
Ein Mann von Mitte fünfzig lümmelte in einem vollkommen deplatzierten modernen Ledersessel. Er hatte dichte schwarze Augenbrauen und trug das graue Haar mit Gel zurückgekämmt. Er schaute sich ein Baseballspiel im Fernsehen an, in einer Hand eine Bierdose, in der anderen eine dicke Zigarre.
Die Frau ging zu ihm, nahm die Fernbedienung von einem antiken Holztisch und schaute sie an, als hätte sie noch nie in ihrem Leben einen derartigen Gegenstand gesehen. Dann stellte sie den Ton ab und ließ die Fernbedienung auf den Tisch fallen.
»Hey, was zum –«, protestierte der Mann.
»Wir haben Besuch, Lou.« Fernanda deutete auf Carly. »Sie ist extra aus England gekommen. Ist das nicht nett?«, fragte sie eisig.
Lou Revere bedachte Carly mit einem schwachen Lächeln und wedelte geistesabwesend mit der Hand. Er hielt die Augen auf das lautlose Spiel gerichtet, drehte sich um und griff nach der Fernbedienung.
»Das ist die entscheidende Phase.«
»Sicher«, erwiderte Fernanda. »Aber das hier ist auch eine entscheidende Phase.« Sie griff nach einem Päckchen Marlboro Lights und schüttelte eine Zigarette heraus. Dann warf sie Carly einen vernichtenden Blick zu.
Sie stand verlegen da, schaute zwischen den Eheleuten hin und her und versuchte verzweifelt, sich an ihren Text zu erinnern.
»Weißt du, wer die Schlampe ist?«
Lou Revere stellte den Ton wieder an.
»Nein. Hör mal, ich brauche ein bisschen Ruhe. Biete der Dame was zu trinken an.« Er schaute Carly gleichgültig an. »Einen Drink?«
Den hätte sie verdammt gut gebrauchen können. Und der aromatische Rauch war ebenso verlockend. Sie sehnte sich nach einer Zigarette.
»Ich würde lieber sterben,
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