Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
sprechen«, sagte er freundlich, aber entschlossen.
»Gut, zweiter Stock, die Tür am Ende. Geht es um meine Handtasche?«
»Ihre Handtasche?«, fragte er verblüfft.
Dann ertönte ein heiseres Summen und ein lauter Klick. Er stieß die Tür auf, und sie traten in einen Flur, der nach dem letzten Abendessen – irgendetwas mit gekochtem Gemüse –, altem Holz und altem Teppich roch. An der Wand lehnten zwei Fahrräder. Es gab ein Regal mit Postfächern, auf dem Boden lagen Werbezettel örtlicher Imbissbuden. Von außen mochte das Haus elegant aussehen, aber drinnen wirkte es müde und abgenutzt.
Sie stiegen die Treppe hinauf, die mit einem verschlissenen Teppich ausgelegt war. Am Ende der zweiten Treppe öffnete sich eine Tür, deren Farbe abblätterte. Ein hübsches Mädchen von etwa zwanzig im weißen Bademantel begrüßte sie mit einem verschlafenen Lächeln. Ihr schulterlanges dunkles Haar war völlig zerzaust. »Sagen Sie nicht, Sie haben sie gefunden! Das wäre super!«
Sie nahmen die Mützen ab. In dem engen Flur roch es nach frischem Kaffee und einem männlichen Eau de Cologne.
»Was gefunden?«, wollte Tony Omotoso wissen.
»Meine Handtasche.«
»Ihre Handtasche?«
»Ja. Die hat mir irgendein Arsch geklaut, als wir am Samstag im Escape Two tanzen waren.«
Es war eine hübsche Wohnung, dachte er bei sich, als er in den offenen Wohnbereich trat, wenn auch unordentlich und spärlich möbliert. Typisch Studenten. Auf den Eichendielen lag kein Teppich, es gab einen großen Fernseher mit Flachbildschirm, eine teure, minimalistische Hi-Fi-Anlage, dazu aber abgewetzte braune Ledermöbel. Auf dem Boden ein Sammelsurium aus Turnschuhen, einer zusammengeknüllten Strickjacke, einem Damenslip, einer einzelnen weißen Socke, Papierstapeln, einer halb leeren Kaffeetasse, mehreren DVDs und den Überresten einer Mahlzeit aus dem China-Imbiss.
»Es tut mir leid, Susan, aber wir sind nicht wegen Ihrer Handtasche hier. Davon weiß ich gar nichts. Wir kommen von der Verkehrspolizei.« Er registrierte, wie verwirrt sie plötzlich aussah. »Laut den Angaben der Brighton University leben Sie mit Tony Revere zusammen. Ist das richtig?«
Sie nickte und wirkte jetzt misstrauisch.
»Leider hat Tony mit seinem Fahrrad einen Verkehrsunfall gehabt.«
Sie schaute ihn wie erstarrt an.
»Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass der Unfall tödlich war.«
Dann schwieg er, da er die Betroffene selbst sprechen lassen wollte. Auf diese Weise würde sie es schneller begreifen.
»Sie meinen, Tony ist tot?«
»Ja, es tut mir schrecklich leid.«
Sie schwankte, worauf PC Upperton ihren Arm ergriff und sie zu dem großen braunen Sofa führte. Sie saß einen Augenblick schweigend da, während die beiden Polizisten verlegen danebenstanden. Bei so etwas gab es keinen einfachen Weg. Die Reaktion fiel immer anders aus. Susan Caplan gehörte zu den Menschen, die in Schweigen verfielen. Dann begann sie zu zittern, kleine Wellen, die durch ihren ganzen Körper liefen.
Sie schüttelte den Kopf. »Oh, Scheiße!«, sagte sie unvermittelt. »Oh, Scheiße.« Sie schien in sich zusammenzufallen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Oh, Scheiße, sagen Sie, dass das nicht wahr ist.«
Die Beamten sahen einander an. »Gibt es jemanden, der heute bei Ihnen bleiben kann? Eine Freundin? Verwandte, die wir anrufen können?«, erkundigte sich Tony Omotoso.
Sie kniff die Augen zu. »Was ist passiert?«
»Es gab einen Zusammenstoß mit einem Lkw, aber wir kennen noch nicht alle Einzelheiten.«
Lange Stille. Sie schlang die Arm um den Körper und begann zu schluchzen.
»Susan, gibt es eine Nachbarin, die wir verständigen können?«
»Nein. Ich – wir haben nicht – ich – oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Ian Upperton. »Sollen wir Ihnen Tee oder Kaffee machen?«
Omotosos Funkgerät knisterte. Er stellte es leiser. Wieder herrschte Stille. »Wir müssen sichergehen, dass es sich um Tony Revere handelt. Wären Sie bereit, die Leiche später zu identifizieren? Nur damit es keine Verwechslung gibt?«
»Seine Mutter ist ein Kontrollfreak«, platzte es aus ihr heraus. »Die müssen Sie fragen.«
»Ich werde mit jedem sprechen, den Sie mir nennen, Susan. Haben Sie ihre Nummer?«
»Sie wohnt in New York – in den Hamptons. Sie hasst mich aus tiefster Seele.«
»Warum?«
»Ich kann Ihnen versichern, sie steigt ins erste Flugzeug.«
»Wäre es Ihnen lieber, wenn sie Tony
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