Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
Gänge plus Dessert.«
Grace musste grinsen.
»Er sieht irgendwie traurig aus. Er braucht einen Kumpel.«
Genau wie du, und zwar dringend , dachte Grace. »Ich hab’s versucht – aber er hat jeden aufgefressen.«
»Erinnert mich an Ari.«
Er ignorierte den Seitenhieb auf Bransons Frau. »Ich hoffe, du willst morgen nicht ausschlafen.«
»Worum geht’s?«
»Ich brauche dich noch mal im Leichenschauhaus.«
24
UM 7.15 UHR, genau zwölf Stunden, nachdem er das Leichenschauhaus verlassen hatte, stellte Glenn Branson seinen Wagen auf dem verlassenen Besucherparkplatz ab. Er schaltete den Motor aus und presste die Finger an die Schläfen, um den hämmernden Schmerz in seinem Kopf zu lindern. Sein Mund war trocken, seine Kehle ausgedörrt, obwohl er Unmengen Wasser getrunken hatte. Außerdem hatte er vor einer Stunde gleich nach dem Aufwachen zwei Paracetamol geschluckt, doch sie wirkten nicht. Er bezweifelte, ob sie überhaupt noch wirken würden.
Die Kater wurden schlimmer, vermutlich, weil er immer mehr trank. Gestern Abend hatte er eine ganze Flasche Rotwein geleert. Eigentlich wollte er nur ein Glas zu dem Hühnerfrikassee aus der Mikrowelle trinken, doch auf einmal war sie leer gewesen.
Er ertränkte seinen Zorn.
Wollte den schrecklichen Schmerz in seinem Herzen betäuben. Die ständige Sehnsucht nach seinen Kindern, den scharfen Stich im Magen, wann immer er an den neuen Mann dachte, der jetzt mit seiner Frau zusammenlebte, mit seinen Kindern spielte, sie sogar badete, verdammt nochmal. Irgendein schleimiger Hypothekenverkäufer, den er am liebsten umgebracht hätte. Und zu allem Überfluss wimmelte es in ihrem Scheidungsantrag, der in einem weißen Umschlag neben ihm auf dem Beifahrersitz lag, von Lügen.
Am Nachmittag hatte er einen Termin mit seinem Anwalt, dem er die Scheidungspapiere übergeben wollte. Außerdem wollte er sich wegen der finanziellen Konsequenzen und des Kontaktes zu den Kindern beraten lassen.
Das alles war so unfair. Während die Polizei noch immer ihr Leben aufs Spiel setzte, um Verbrechen zu verhindern und die Täter hinter Schloss und Riegel zu bringen, hatte man alle Moralvorstellungen über Bord geworfen. Eine Ehefrau musste nicht treu sein, sie konnte bumsen, wen immer sie wollte, ihren Mann aus dem Haus werfen und den Liebhaber hereinholen.
Er stieg niedergeschlagen aus dem Auto und öffnete den Regenschirm. Es nieselte mal wieder. Seine Kleidung spiegelte seine Stimmung wider. Dunkelblauer Regenmantel, dunkler Anzug, ungewöhnlich dezente Krawatte und die schlichtesten schwarzen Schuhe, die er besaß. Wie alle seine Schuhe waren auch sie auf Hochglanz poliert. Er hielt nicht viel von Roy Graces Modegeschmack, aber dessen Hinweis, wie man sich bei solchen Anlässen kleidete, hatte er beherzigt.
Die frische Luft belebte ihn ein wenig, doch er blickte mit Unbehagen auf die geschlossene Tür der Ladebucht. Wenn er sich dem Leichenschauhaus näherte, überlief ihn jedes Mal ein Schauer, und mit einem Kater war es noch schlimmer.
Das Gebäude wirkte grauer und dunkler als sonst. Von vorn sah es aus wie ein Vorortbungalow, von hinten eher wie ein Lagerhaus. Die Leichen wurden diskret auf der Hinterseite angeliefert. Das Leichenschauhaus lag an der vielbefahrenen Lewes Road mitten in Brighton, umgeben von einer hohen Mauer und dem stillen Grün des Woodvale Cemetery, der sich an die steilen Hänge dahinter schmiegte.
Glenn hielt inne, als er einen Wagen kommen hörte. Kurz darauf bog Bella Moys violetter Nissan Micra um die Ecke und parkte neben ihm. Roy Grace hatte vorgeschlagen, sie solle dabei sein, weil sie nicht nur eine erfahrene Ermittlerin, sondern auch eine ausgebildete Familienbetreuerin war.
Glenn öffnete ihr höflich die Tür und hielt den Regenschirm über sie.
Sie bedankte sich und lächelte flüchtig. »Alles in Ordnung?«
Er verzog das Gesicht. »Ich halte mich tapfer.«
Er spürte den forschenden Blick ihrer braunen Augen und fragte sich, ob seine wohl blutunterlaufen waren. Jedenfalls war er ganz und gar nicht in Form; er war seit Monaten nicht im Fitnessstudio gewesen, und zum ersten Mal im Leben hatte ein leichter Bierbauch sein Sixpack verdrängt. Er hoffte, dass sie nicht den Alkohol in seinem Atem roch, und zog ein Päckchen Pfefferminzkaugummi aus der Tasche. Er bot Bella eins an, doch sie schüttelte den Kopf. Er steckte sich eins in den Mund und kaute.
Seine Kollegin tat ihm irgendwie leid. Sie war eine gute Ermittlerin, aber modisch gesehen
Weitere Kostenlose Bücher