Riley - Die Geisterjägerin - Noël, A: Riley - Die Geisterjägerin - N.N. 3 (nach "Radiance" - The Riley Series)
dem letzten Traum versanken meine Füße nicht, sondern sie klebten fest. Das frischgemähte Gras verwandelte sich in eine zähe, grüne, extrem klebrige Masse, die hartnäckig an unseren Sohlen hing und uns nicht mehr losließ, nicht zuließ, dass wir uns befreiten. Selbst diejenigen, die ihre Schuhe abstreiften, waren nicht besser dran – sie tauschten lediglich ihre Schuhsohlen gegen ihre Fußsohlen aus.
Mir und allen anderen blieb nichts anderes übrig, als hilflos in das Scheinwerferlicht zu starren, während der Wagen auf uns zuraste und uns zu überfahren drohte.
Kurz vor dem Aufprall flammte ein helles Licht auf, und bevor ich mich’s versah, befand ich mich in Paris, einer Stadt, die ich schon immer hatte besuchen wollen.
Aber anstatt die Stadt zu besichtigen und mit dem Aufzug zur Spitze des Eiffelturms zu fahren, kämpfte ich mit einer Gruppe Teenager gegen das Ertrinken.
Und bevor ich mich besinnen konnte, war ich plötzlich in Brasilien. Aber ich verbrachte dort nicht einen angenehmen Tag bei einem Sonnenbad, sondern wurde tatsächlich geröstet – ein junges Mädchen, zwei Jungs und ich gingen am Strand von Rio de Janeiro in Flammen auf.
Ich durchlitt Albträume an den exotischsten Orten. Orte, die ich schon immer gern besucht hätte. Und gerade als ich begann, mich nach meinem Zuhause zu sehnen, wurde mein Wunsch erfüllt. Ich befand mich plötzlich in meiner alten Schule und stand vor meiner früheren Klasse. Und als ich an mir herunterschaute und mich fragte, warum alle auf mich deuteten und lachten, sah ich, dass ich vergessen hatte, mir meine Kleider anzuziehen.
Ich erstarrte und hatte das Gefühl, dass ich sofort sterben würde – gleich hier, an dem Ort, an dem ich gedemütigt worden war und mich bis auf die Knochen blamiert hatte. Aber schon wenige Sekunden später trug ich plötzlich ein hübsches violettes Kleid, das mir sehr gut gefiel, und saß in derselben Klasse an einem Pult. Ich konzentrierte mich mit aller Kraft auf das Blatt Papier, das vor mir lag – ein Teil eines sehr wichtigen, für die Note entscheidenden Tests. Aber ich war nicht fähig, den Text zu lesen oder die Fragen zu beantworten. Die Wörter verschwammen
vor meinen Augen und verwandelten sich in einen alles umgebenden Schleier.
Ich hob meine Hand, um zu fragen, ob ich einen neuen Prüfungsbogen bekommen könnte. Ich wollte erklären, dass mit meinem Blatt irgendetwas nicht stimmte. Doch dann sah ich, dass mein Lehrer das Gesicht eines Clowns hatte – und den Körper einer Schwarzen Witwe. Ihre acht Beine und Arme umfingen mich und zogen mich in ihr Netz, und sie sah mich an, als betrachtete sie mich als ihr Abendessen.
Ich schrie.
Ich schimpfte.
Ich wehrte mich, so gut ich konnte – aber es half nicht.
Ich wurde von Insekten verschlungen.
Ich wurde lebendig begraben.
Ich wurde von Zombies verfolgt, die Messer schwangen und mein Gehirn verspeisen wollten.
Jede Szene war anders, aber das Ende lief immer gleich ab. Jedes Mal, wenn ein Albtraum endete, wurde er von dem nächsten abgelöst. Ein Angriff folgte auf den anderen, und jedes schreckliche Erlebnis wurde sofort durch ein neues ersetzt.
Bei einigen handelte es sich um normale Ängste, andere waren haarsträubend, aber alle trafen mich tief in meinem Inneren.
In meinem echten Leben war ich ein Mal gestorben, doch auf dieser Bühne starb ich viele Male, und das auf eine viel schrecklichere Weise.
Und am schlimmsten daran war, dass ich nichts tun konnte, um dem Einhalt zu gebieten. Ich konnte nichts tun, um das Geschehen aufzuhalten.
Ich konnte einfach nur mitmachen.
Mich einfügen.
Mir die Seele aus dem Leib spielen und den Träumenden entscheiden lassen, wann er Halt sagen wollte.
Das Geschehen versetzte mich derart in Angst und Schrecken, dass ich erst nach einer Weile begriff, dass es keinen wirklichen Träumenden gab.
In den letzten fünf Szenen hatte nur ich eine Rolle gespielt.
Aber ganz gleich, wie laut ich auch schrie, egal, wie sehr ich mich abmühte, aus der Rolle herauszufinden und »aufzuwachen« – auch wenn ich damit Satchels gute Meinung von mir aufs Spiel setzte –, es half mir kein bisschen weiter.
Die Albträume liefen immer weiter.
Der Projektor surrte ununterbrochen.
Und jede neue Szene, in die ich geworfen wurde, war schlimmer als die vorherige.
Ich war gefangen.
Gefangen in einem ewigen Tanz.
Und erlebte die unendliche Geschichte der schlimmsten Albträume, die die Menschheit jemals geplagt hatten.
SIEBZEHN
W
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