Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
nicht vorstellen, dass irgendjemand so … Ich unterbrach den Gedanken. Ich arbeitete mit Wächtern zusammen, also konnte ich mir sehr wohl vorstellen, dass jemand blutrünstig genug war, an so etwas Gefallen zu finden. »Er hatte gar nicht vor, dir ins Herz zu schießen. Er wollte dich verstümmeln, nicht umbringen.«
Ich trank einen Schluck Cola und bedauerte es sofort, weil sie die Säure in meinem Magen noch verstärkte. »Sie konnten nicht wissen, dass du da bist. Wärst du nicht da gewesen, wäre ich gestorben.« »Stimmt. Er hatte allerdings ein kleines Erste-Hilfe-Set bei sich. Womöglich wollte er die Kugel selbst entfernen.« »Wieso sollte er auf mich schießen und mich anschließend zusammenflicken? Wozu?« »Vielleicht wollten sie sehen, wie du reagierst.« Mich fröstelte. »Aber das hieße ja …« »Wenn sie Rhoan gefangen halten, weil er ist, was er ist«, sagte er vorsichtig, »dann wissen sie zweifellos auch, wer du bist.«
»Aber niemand …« Ich brach den Satz ab. Wenn Jack es herausgefunden hatte, war das womöglich auch anderen gelungen. »Es steht nichts in unseren Geburtsurkunden, und wir haben es niemandem erzählt.« Ich sah ihn durchdringend an. »Ich kann nicht glauben, dass Rhoan es dir erzählt hat.« »Das hat er auch nicht. Ich habe es mir einfach gedacht. Werwölfe eignen sich im Allgemeinen nicht als Wächter, weil sie keine Untoten riechen können. Er hat aber genauso gute Sinnesorgane wie ich.« Er zögerte. »Und du bist der Kugel ausgewichen. Noch etwas, was ein Werwolf niemals fertigbrächte.«
Ich glitt vom Schreibtisch und marschierte unruhig auf und ab. »Ich verstehe nur nicht, warum? Sie schaffen sich ihre eigenen Monster. Wozu brauchen sie mich und Rhoan?« Als ich an ihm vorbeikam, hielt er mich an der Hand fest. »Du bist kein Monster«, sagte er grimmig.
Offenbar verärgerte ihn die Idee, dass ich so von mir denken könnte. Ich musste unwillkürlich lächeln. »Du hast leicht reden. Du bist nur ein ganz normaler alter Vampir.« »Du bist ein Wunder. Lass dir nichts anderes einreden.« Ich grinste noch breiter. »Weißt du, ich könnte tatsächlich anfangen, dich zu mögen.« Er grinste diabolisch. »Heißt das, dass wir beide bald miteinander tanzen?« »Vielleicht.« Wenn ich Rhoan befreit hatte und sicher war, dass Quinn kein falsches Spiel spielte. »Gut.« Er wandte den Blick wieder dem Grundriss zu. »Ich könnte mir zwei Gründe vorstellen, wieso sie an dir und Rhoan interessiert sind. Erstens scheint ihr gut mit eurem gemischten Erbgut zurechtzukommen.«
Ich lief wieder auf und ab. Das war besser, als stillzusitzen. Oder neben einem Leckerbissen auszuharren, den ich noch nicht vernaschen durfte. »Und zweitens?« Er sah mich an. »Dass ihr beinahe gleich ausseht.« Ich blieb stehen. »Was?« »All die Klone haben bislang so ausgesehen wie der Wächter, der als Henri Gautier bekannt ist.« »Offensichtlich.« »Das bedeutet, dass sie von einer Quelle abstammen.« »Von dem Freund, den du für tot gehalten hast.« Er nickte. »Der WerVamp in meinem Flugzeug sah allerdings überhaupt nicht wie Gautier aus. Er muss von einer anderen Quelle stammen.« »Ja, und?«
»Was, wenn sie nicht wissen oder glauben, dass WerVamps auf natürlichem Weg geboren werden können? Vielleicht halten sie dich und Rhoan für Wesen aus einem Labor. Erfolgreiche Züchtungen, aber nicht aus ihrem Labor.« Ich starrte ihn an, während mir langsam die Bedeutung seiner Worte klar wurde.
Wenn das stimmte, steckten mein Bruder und ich ziemlich tief in der Klemme.
6
Das ist genauso wenig nachvollziehbar wie die Tatsache, dass sie immer wieder dasselbe hässliche Gesicht klonen.« Ich hielt inne, denn in dem Moment, in dem ich meine Klappe so weit aufgerissen hatte, fiel mir ein, dass dieses hässliche Gesicht wohl irgendwann einmal seinem Freund gehört haben musste. Vorausgesetzt, dass sein toter Freund die Quelle war und nicht selbst ein Klon. Um meinen Ausrutscher zu überspielen, fügte ich schnell hinzu: »Außerdem wäre ich alarmierter gewesen, wenn die Leute, die mich angegriffen haben, Rhoan gehabt hätten.«
»Nicht unbedingt. Nicht wenn Moneisha nur eine Sammelstelle ist. Vielleicht sammeln die Leute, die hinter dem Labor stecken, überwiegend Muster und wissen noch nicht, was sie da wirklich haben.« Ich betrachtete ihn nachdenklich. »Dann wusstest du, dass Rhoan in St. Kilda war, um wegen der verschwundenen Prostituierten zu ermitteln?« Er nickte. »Ich war den
Weitere Kostenlose Bücher