Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
bisschen nachzuhelfen?« »Wenn das jemand tut, würde ihn oder sie der Zorn der anderen treffen.«
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es keine ungeklärten Todesfälle gab, zumal wenn das Opfer in der Hierarchie höher stand als jeder andere. Doch Vampire dachten nicht wie wir anderen. »Wo stehst du in der Hierarchie?« »Es stehen noch drei über mir.« »Ich nehme an, Direktorin Hunter gehört dazu? Deshalb hast du sie angerufen – eine berufliche Vampirgefälligkeit, sozusagen.«
Er nickte. Ich runzelte nachdenklich die Stirn. »Jack hat gesagt, er wäre ihr Bruder – aber wie kann das sein? Sie ist älter und er jünger als du.« Er zuckte mit den Schultern. »Madrilene und Jack waren ursprünglich Gestaltwandler, und Gestaltwandler leben wie Werwölfe extrem lang. Vielleicht ist Jack erst am Ende seines Lebens verwandelt worden.«
Ich wurde noch nachdenklicher. »Madrilene? Meinst du Alex?« »Ja.« Er zögerte. »Madrilene hieß sie, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.« »Vampire ändern mit der Zeit also ihre Namen?« »Ja, auch ich habe das gemacht.« »Dann ist Quinn nicht dein richtiger Name?« »Mein Vorname, nein. Aber Quinn ist die englische Form meines irischen Nachnamens – O’Cuinn.«
»Interessant.« Aber es erklärte irgendwie nicht, wieso Jack gerade einmal achthundert Jahre alt war und Direktorin Hunter mehr als Quinns zwölfhundert auf dem Buckel hatte. Meinen Berechnungen nach fehlte da mindestens ein Jahrhundert, Gestaltwandler hin oder her. Aber offensichtlich wollte Quinn es mir nicht erklären. Wenn es mich interessierte, musste ich Jack danach fragen. Ob der es mir verraten würde, war natürlich eine ganz andere Sache.
»Wenn du in der Vampirhierarchie über ihm stehst und älter und stärker bist als Jack, wieso dringst du dann nicht in seine Gedanken ein und erteilst ihm Befehle?« »Er ist stark genug, mich davon abzuhalten. Ich bin ihm überlegen und könnte ihn töten, aber ich kann ihn nicht kontrollieren.« »Klar. Leider kann ich mich da nur auf dein Wort verlassen.«
»Reicht das nicht?« »Die Frage kann ich nicht beantworten, weil ich dich zu wenig kenne.« Ich verschränkte die Arme und starrte eine Weile auf die regennasse Straße vor uns. »Wieso verfolgst du so entschieden die Leute, die hinter den Klonen stecken?« »Das hat Jack dir doch schon erzählt. Die Quelle war ein Freund von mir.« »Ein guter Freund?«
Er zwinkerte mir zu. »Nicht sexuell, wenn du das meinst. Er wurde als Hieremias, Sohn des Glaucus, geboren und änderte seinen Namen später der Einfachheit halber in Henri Glaucus. Wir waren mehr als tausend Jahre befreundet.«
Es war schwer vorstellbar, dass man jemand so lange kannte. »Wie ist er gestorben?« Er warf mir einen kühlen, abweisenden Blick zu, der mir Schauer den Rücken hinunterjagte. Da schimmerte zusätzlich noch etwas anderes in seinen dunklen Augen. So etwas wie Schmerz.
»An gebrochenem Herzen. Er ist in die Sonne gegangen und dort geblieben.« Er zögerte. »Zumindest habe ich das immer gedacht.«
Wetten, dass wieder eine verdammte Werwölfin hinter der Verletzung steckte? Mann, ich wollte ja wirklich alles versuchen, aber konnte ich gegen seine Ex und die Geschichte von seinem Freund ankommen? Ich erinnerte mich an die Magie, als wir miteinander geschlafen hatten, und dachte: Zum Teufel, ja. Ich werde es versuchen.
»Wenn jetzt Klone von ihm durch die Gegend laufen, hat man ihn offensichtlich gefunden, bevor er zu Asche verbrannte.« »Ja.« Er zögerte wieder. »Als ich den Klon zum ersten Mal in Sydney gesehen habe, war ich überglücklich. Ich dachte, ich hätte mich geirrt, und Henri hatte gar nicht Selbstmord begangen. Aber nachdem ich kurz seine Gedanken gelesen hatte, fand ich die Wahrheit heraus. Das Gedächtnis des Klons reichte nur siebeneinhalb Jahre zurück.«
»Bist du deshalb hier in Melbourne angegriffen worden? Weil du den Klon umgebracht hast?« »Vielleicht – insbesondere wenn sie von meiner Vergangenheit mit Henri wissen. Dann wissen sie, dass ich nach ihm suche.« »Wegen eurer Freundschaft?« »Weil Henri mir so oft das Leben gerettet hat, dass ich es gar nicht mehr zählen kann.«
Ein loyaler Vampir. Interessant. »Wieso sollten sie Henri klonen? Was hat er, was nicht auch Millionen anderer Vampire haben?« Er schüttelte sein Haupt. »Du liest nicht so häufig Zeitung, oder?« Ich runzelte die Stirn. »Was hat das damit zu tun?« »Henri war ein ausgezeichneter Sportler und bis vor zehn
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