Riley Jenson 02 - Wächterin des Mondes
Beine. Seine dunklen Haare waren länger als bei unserem letzten Treffen und voll und dicht. Jetzt allerdings waren sie etwas zerzaust, als wäre er mehrmals mit den Fingern hindurchgefahren. Finger, die in seinen Hosentaschen steckten und sich dort zu verkrampfen schienen. Seine Haut war nicht so weiß wie bei anderen Vampiren, sondern hatte einen schwachen honiggoldenen Ton, da er im Unterschied zu den meisten anderen Vampiren sehr viel Sonnenlicht vertrug. Und sein Gesicht …
Ich schluckte. Er war wunderschön, wirklich wunderschön, auf eine unfasslich männliche Art.
Unsere Blicke trafen sich. Seine Augen glitzerten wie schwarzes Glas, sein Gesicht wirkte verschlossen. Doch zwischen uns war etwas, eine Anziehungskraft, die mein Herz höher schlagen ließ und mir eine Gänsehaut über den ganzen Leib trieb. Dieses Gefühl war schon bei unserer ersten Begegnung da gewesen, und jetzt war es stärker als jemals zuvor.
Kade blieb unvermittelt stehen. Sein Blick glitt von mir zu Quinn und wieder zurück. Ich sah in seinen samtig braunen Augen, dass er die Situation sofort begriff. Er setzte eine leicht gereizte Miene auf, machte einen Schritt zu mir zurück und nahm meine Hand.
Offensichtlich wollte er eine Reaktion provozieren, was ihm gut gelang. Allerdings war Quinns Anspannung kaum zu merken.
In gewisser Weise amüsierte mich seine Reaktion ebenso wie sie mich verärgerte. Die leichte Veränderung in seinem Gesicht verriet mir genau, was er dachte, und es gefiel mir überhaupt nicht, dass er mich weiterhin nach menschlichen Maßstäben beurteilte. Das war geradezu verrückt, denn niemand der Anwesenden hier entsprach auch nur im Entferntesten irgendwelchen menschlichen Standards. Gleichzeitig amüsierte es mich, dass ein Vampir, der über zwölfhundert Jahre auf dem Buckel hatte, sich von einer so offenkundig gespielten Inszenierung provozieren ließ.
Doch unabhängig von den Gefühlen, die Quinns Reaktion bei mir auslöste, war sie interessant. Offensichtlich mochte er mich trotz all seiner Beteuerungen, er werde sich nie wieder mit einer Werwölfin einlassen, noch nicht wirklich aufgeben. Wenn schon ein kleines Abenteuer – wie Kade für mich war – Mister Pokerface zu einer solchen Reaktion reizte, war klar, dass Quinn, egal was er sagte, doch noch etwas von mir wollte.
Ich wusste nicht, was ich von meiner Entdeckung halten sollte, wenn sie denn überhaupt stimmte. Immerhin hatte ich so ziemlich alles versucht. Vielleicht war es an der Zeit, dass er sich ein bisschen bemühte. Dass zur Abwechslung er hinter mir herlief.
»Schön, dich zu sehen, Quinn.« In seinen dunklen Augen blitzte Überraschung auf. Womöglich hatte er damit gerechnet, dass ich nach all den Abfuhren, die er mir in den letzten Monaten erteilt hatte, nicht in der Lage war, höflich zu sein.
»Es ist schön, dich gesund und wohlbehalten wiederzusehen.« Er hatte eine volle Stimme und sprach mit irischem Singsang. Sie war in Realität weit erotischer als in meinen Träumen. Schon bei ihrem Klang hätte ich am liebsten vor Wonne laut geseufzt. »Wir haben mit dem Schlimmsten gerechnet.«
Bei der Bemerkung wurde mir ganz warm ums Herz. Egal, was ich Kade vorhin über das endgültige Aus mit Quinn erzählt hatte, ein Teil von mir sehnte sich weiterhin nach einer Beziehung mit ihm. Dennoch, er hatte es nicht verdient, mich so einfach zu bekommen. Diesmal nicht.
Ich hob eine Braue. »Wieso hast du dir denn Sorgen um mich gemacht?« Es war eine schnippische Bemerkung, aber he, in Anbetracht seiner ständigen Zurückweisungen konnte er nichts anderes erwarten. Im Gegenteil. Er sollte sich lieber glücklich schätzen, wenn das alles war.
»He, Leute, können wir diese hübsche kleine Versammlung wohl nach innen verlagern und die Begrüßung dort fortsetzen?«, fragte Rhoan trocken. »Vielleicht sind Spione am Himmel unterwegs.« Quinn blickte Rhoan an, drehte sich wortlos um und verschwand in der Hütte. Ich löste meine Finger von Kades und sah meinen Bruder an. »Na, vielen Dank, dass du mich so rechtzeitig gewarnt hast.« Rhoan schnitt eine Grimasse. »Ich habe es ja versucht. Außerdem wärst du doch trotzdem genauso geschockt gewesen, oder?«
Nein, und das wusste er genau.
»Spiel das Spiel einfach«, raunte Kade mir zu. »Glaub mir. Es funktioniert.« Ich blickte ihn an und lächelte. »Ist dein Vorschlag nicht ziemlich egoistisch?«Er hob abwehrend die Hände und sah mich aus seinen dunklen Augen belustigt an. »He, ich bin ein
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