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Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Benchetrit
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Politiker, die man verewigt findet. Wie
Charles de Gaulle
oder
Pompidou
. Ich habe auf dem Stadtplan nachgesehen, lauter Charles de Gaulle:ein Platz heißt so, ein RER-Bahnhof, eine Métro-Station, eine Brücke und ein Flughafen.
    Auf Victor Hugo stößt man in Paris auch an ungefähr jeder Ecke, das hängt vielleicht damit zusammen, dass er Politik gemacht hat.
    So weit war ich noch nie allein gefahren. Trotzdem hatte ich keine Angst. Wenn man traurig ist, wird man mutig, und Glück macht einen stark. Auf mich traf beides zu. Ich setzte mich in einen Wagen gegenüber von einem Typ, der aussah, als käme er von der Arbeit zurück. Er las ein Buch, und als ich mich ein wenig vorbeugte, konnte ich den Titel lesen.
Der Junker von Ballantrae
. Von R. L. Stevenson. Ich freute mich total, denn Stevenson kannte ich. Von dem hatte ich im Sommer
Die Schatzinsel
gelesen. Ein großartiges Buch. Es liegt immer neben meinem Bett, und oft lese ich vor dem Einschlafen noch mal darin. Ich hätte mich gern mit dem Typ über Stevenson unterhalten, aber er war so in sein Buch vertieft, und es gibt nichts Lästigeres, als gestört zu werden, während man gerade an einer spannenden Stelle ist. Außerdem war ich so müde, dass ich meine komplette Konzentration darauf richten musste, meine Haltestelle nicht zu verpassen. Ich wollte schließlich nicht irgendwo am anderen Ende der Welt aufwachen.
    Am meisten Panik habe ich davor, mich zu verirren. Tausend Mal habe ich das schon geträumt. Ich laufe mit einem Freund durch die Stadt, und plötzlich erkenne ich nichts wieder. Und mein Freund ist auch nicht mehr da,oder er wurde durch einen Mann ersetzt, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Ich hasse diese Träume und brauche immer Wochen, um mich davon zu erholen.
    Einmal, als ich klein war, hatte ich mich tatsächlich verlaufen. Ich muss vier Jahre alt gewesen sein und war mit meiner Mutter auf einem riesigen Möbelmarkt in einer anderen Banlieue unterwegs. Wir hatten drei verschiedene Buslinien genommen, um überhaupt dorthin zu kommen. Meine Mutter war unermüdlich auf der Suche nach einem Sofa fürs Wohnzimmer gewesen, während ich mich zu Tode langweilte. Sie wiederholte ständig, das Sofa wäre ja auch für mich und ich würde bestimmt gern darauf sitzen. Also klapperten wir Stand um Stand ab und probierten Sofas aus, setzten uns wie zwei Blöde unter freiem Himmel darauf. Als wir endlich ein passendes gefunden hatten, handelte meine Mutter noch ewig mit dem Verkäufer den Preis aus.
    Direkt gegenüber hatte ein Typ eine Vitrine mit einer Sammlung von kleinen Soldaten aufgebaut. Ich schlenderte hinüber, um mir die Figuren anzuschauen, und als ich fertig war, beschloss ich, vor der Vitrine stehen zu bleiben, damit meine Mutter mir einen dieser Soldaten kaufte.
    Nach zehn Minuten drehte ich mich zu den Sofas um und sah, dass meine Mutter nicht mehr da war. Entsetzt stürzte ich auf den Verkäufer zu und fragte ihn, wo die Frau wäre, mit der er gerade eben noch gesprochen hatte. Die wäre schon weg, sagte er. Wilde Panik ergriff mich, und ich rannte wie ein Verrückter durch die Gassen zwischenden Ständen. So fühlt sich das Ende der Welt an, dachte ich, wie das Ende des Lebens kam es mir vor. Tausende von Menschen strömten in alle Richtungen, und das machte mir Angst. Es war schlimmer, als wenn ich ganz allein gewesen wäre.
    Verzweifelt ließ ich mich auf eine Bank fallen und fing an zu heulen. Eine Sekunde später stand ein Verkäufer neben mir und fragte mich, was denn los wäre. Ich hätte meine Mutter verloren, schniefte ich. Der Mann rief eine Frau, die wohl seine eigene war, damit sie auf mich aufpasste, während er meine Mutter suchen ging. Die Frau war sehr nett und versuchte mich zu beruhigen, aber ich war untröstlich.
    Es dauerte lange, bis der Verkäufer mit meiner Mutter im Schlepptau wieder auftauchte. Als ich Maman sah, stürzte ich auf sie zu und drückte mich an sie. Es fühlte sich an, als hätten wir uns zehn Jahre nicht gesehen.
    Was mich kränkte, war, dass meine Mutter gar nicht beunruhigt wirkte. Sie lächelte sogar.
    Da ich einiges durchgemacht hatte, kaufte sie mir einen kleinen Soldaten. Einen Miniatur-Leutnant. Dann zogen wir ab, ohne Sofa.
     
    Ich wusste noch so ungefähr, in welcher Straße die Rolands wohnten. Wenn man aus dem Bahnhofsgebäude kam, ging es auf der Hauptstraße geradeaus, und irgendwann musste man dann rechts in eine kleine Straße einbiegen.
    Ich war überrascht, als ich

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