Ringkampf: Roman (German Edition)
Partie zu sichern. Ich habe es noch einmal nachgelesen. Bereits siebzehnhundertsechsundzwanzig hat die große Cuzzoni, als sie in Händels Gunst zu sinken begann, der ihr vorgezogenen Bordoni Belladonna in den Tee gemixt. Atropin war ein Gift, das sich bei den Damen besonderer Beliebtheit erfreute, denn bereits in niedriger Dosierung übte es eine fatale Reizwirkung auf den gesamten Bereich der Mundhöhle aus. Achtzehnhundertneunundfünfzig versuchte Graziella di – «
»Es reicht!« Bellinis Worte sausten auf Reginald wie ein Fallbeil herab. »Ich bin Musiker und kein Detektiv.«
Der Maestro zerteilte den Raum mit acht großen Schritten. »Dann muß Frau Raven eben auch gehen.« Er baute sich vor dem Schreibtisch auf. »Aber für Ivan gilt, was ich gesagt habe. Er soll es nicht wagen, mir noch einmal unter die Augen zu treten.« In der Kehle des Dirigenten schwangen keine Stimmbänder, sondern Rasierklingen. »Hast du verstanden?«
»Ja. Natürlich.« Reginald verkroch sich in seinem Hemdkragen. Den Mund abermals zu öffnen kostete ihn mehr Mut, als er eigentlich noch besaß. »Ich denke, wir müssen ein weiteres Problem in Betracht ziehen.«
» Che vuoi? Willst du mich umbringen!«
Reginald gelang es, unerschrocken sachlich zu klingen. »Das Krankenhaus wird die Polizei über das — das unglückliche Ereignis informieren. — Immerhin könnte es sich um versuchten Mord handeln«, schob er hastig nach, bevor er den Kopf wieder zwischen seine Schultern versenkte.
»Mord«, brauste Bellini auf, »versuchter Mord! Dio Santo! Es ist ein Dumme-Jungen-Streich! Oder meinetwegen Dumme-Mädchen-Streich! Assassinio! Sei pazzo? Wir haben in einem Monat Premiere! Ist dir klar, was es bedeutet, wenn wir uns jetzt die Polizei ins Haus holen? Wir können unsere Premiere begraben! Ganz, ganz tief begraben ! Schluß! Aus! Fine! « Das feine Gesicht drohte zu zerspringen. »Ich werde selber mit Jessica sprechen. Sie wird verstehen, daß sie vernünftig sein muß. Es ist ja nichts Ernstes geschehen. Und wegen dem Krankenhaus — wozu haben wir eine Öffentlichkeitsarbeit! Einer von denen soll sich sofort darum kümmern. Keine Nachrichten an die Presse, keine Ermittlungen der Polizei! Hast du verstanden?«
Reginald nickte stumm.
Der Maestro starrte in den flirrenden Nachmittag hinaus. »Es ist nichts passiert. Garnichts.«
29
Jochen Sywoll saß in seiner Garderobe und schickte sedierende Worte durchs Funknetz. Zufrieden ruhten seine wasserhellen Augen auf dem Spiegelbild, das sich im Hintergrund zu einer Mädchengestalt verjüngte.
»Mona, mach dir deshalb doch keine Sorgen« brummte erin das Handy hinein, »die Noten sind sicher morgen in der Post – – ja, das Konzert war ein großer Erfolg – – ich komme Sonntag mit der Maschine um acht Uhr zwanzig an – – Oslo ist erst nächste Woche – – du brauchst mich aber wirklich nicht abzuholen – ganz bestimmt nicht? Schön, dann sehen wir uns am Flughafen – – und hörst du? Du machst dir keine Sorgen mehr — Küß die Kleine von mir — also, bis Sonntag dann, ich umarme dich — Tschüß.«
Jochen Sywoll klappte das Handy zusammen. Gwendolyn legte die Stirn in Falten. »Sagst du am Telefon eigentlich immer tschüß «, fragte sie vorwurfsvoll.
Er lachte gutmütig. »Ich glaube schon. Wieso?«
» Tschüß ist doch kein Wort fürn Baß. Soubretten fiepsen tschüß .«
»Ich gelobe dir hoch und heilig, ich werde es mir abgewöhnen. «
Der Sänger erhob sich schmunzelnd. Er baute seine breitschultrigen einhundertdreiundneunzig Zentimetervor Gwendolyn auf.
»So«, sagte er, »und was wollen wir beide jetzt machen? «
»Keine Ahnung. Vielleicht vögeln?«
»Aber hallo!« Er beeilte sich, seinen entsetzten Gesichtsausdruck mit einem kräftigen Lachen hinunterzuspülen. »Du gehst ja ganz schön ran für dein Alter. Mein lieber Schwan.«
»Laß Lohengrin aus dem Spiel.« Eingeschnappt blickte Gwendolyn unter sich. »Mit albernen Tenören will ich nichts zu schaffen haben.«
»Herrgott, du bist mir aber eine.« Jochen Sywoll trat näher. Probeweise fingerte er nach dem unteren Ende ihres T-Shirts.
Gwendolyn zappelte in seinen Armen und schnappte nach Luft. Der wattierte Landlord -Hausmantel, in den sich der Sänger nach dem Duschen gehüllt hatte, ging auf. Zwei Brustwarzen starrten ihr entgegen.
»Ich hab ne Idee«, sagte sie mit spontaner Begeisterung. »Wir machen das anders. Für jedes Kleidungsstück, das ich ausziehe, ziehst du eins an.«
Jochen
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