Ringkampf: Roman (German Edition)
Sywoll versuchte, sie auf den Nacken zu küssen. »Versteh ich nicht«, flüsterte er.
»Was isn da nicht zu verstehen? Ich zieh zum Beispiel mein T-Shirt aus«, mit der freien Hand langte sich Gwendolyn in den Ausschnitt, »und du ziehst dafür dein Hemd an.«
»Und für was soll das gut sein«, brummte er in ihren Scheitel.
»Frag nich so blöde, mach lieber!«
Seufzend ließ der Bassist sie los. » Also so eine komische Nudel wie du ist mir ehrlich noch nie untergekommen. « Er hängte den Hausmantel an einen Haken
und griff nach seinem auberginefarbenen Seidenhemd.
»Nein, nicht das«, kommandierte die Hospitantin, »das da.« Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf ein Smokinghemd.
»Aber das gehört doch zu meinem Kostüm«, protestierte er. »Warum um alles in der Welt soll ich jetzt ein Teil von meinem Probenkostüm anziehen? Das ist doch noch total verschwitzt.«
»Macht nix«, sagte sie, »du schwitzt sowieso gleich wieder.« Mit einer knappen Geste streifte sie sich das T-Shirt über den Kopf.
Kurzfristig geblendet wankte Jochen Sywoll rückwärts zum Kleiderständer, zog sich das Hemd an und knöpfte es mechanisch zu.
»Die Jacke auch noch«, befahl sie, »für zwei Titten gibts zwei Klamotten.«
Widerspruchslos griff er nach Wotans schwarzem Tuxedo.
Die Hospitantin öffnete ihre Jeans. Der Sänger stieg ins erste Hosenbein. Die Hospitantin zog den Reißverschluß nach unten. Der Sänger stieg ins zweite Hosenbein. Die Hospitantin ließ die Jeans über ihre schmalen Hüften rutschen. Der Sänger zog die Smokinghose mit einem Ruck über den Feinripp. Die Hospitantin trat aus der am Boden liegenden Jeans heraus. Der Sänger schloß den Hosenknopf.
Gwendolyn nickte zufrieden. Seine Augen brannten Löcher in ihren orangenen Frotteeslip.
Sie drehte sich zur Tür. »Ich leih mir grad mal deinen komischen Bademantel. Muß was holen. Bin gleich wieder da.«
Unbedeutende Minuten später kehrte sie zurück. Sie hatte etwas über die Schulter geworfen, das wie ein gewaltiges blaues Bärenfell aussah. Jochen Sywoll stand noch an der Stelle, an der sie ihn stehengelassen hatte.
»Um Himmels willen«, stieß er hervor, als er ihre Beute erkannte, »du kannst doch nicht einfach den Umhang klauen.« Er griff nach dem schweren Stoff. »Wie bist du da überhaupt rangekommen?«
»Großes Geheimnis.« Gwendolyn schob einen Finger unter den Saum ihres letzten Kleidungsstücks. »Also willst du jetzt, daß ich mein Höschen ausziehe oder nicht?«
Er begann zu schwitzen. »Du bist wirklich total verrückt«, knurrte er. Mit zwei todesverachtenden Gesten fuhr er in die Ärmel des Göttermantels.
Zur Belohnung rollte Gwendolyn ihren Slip einige Zentimeter nach unten. Kurz vor der Vegetationsgrenze stoppte sie.
»Was ist denn jetzt noch los«, schnaufte der Sänger.
»Um den Kopf rum siehst du irgendwie nackt aus.«
Verständnislos schüttelte Jochen Sywoll die blonde Mähne.
Die Hospitantin ging zu dem Styroporkopf, der am Fenster stand. »Erst der weiße Pferdeschwanz macht den alten Wotan ganz«, reimte sie strahlend.
Das Gebirge aus nachtblauem Samt bewegte sich drohend auf sie zu. »Hör mal, so war das aber nicht ausgemacht. Wir haben gesagt, für jedes Kleidungsstück von dir ziehe ich eins an. Bei dem T-Shirt hast du schon geschummelt. «
»Wenn ich aber nix mehr zum Ausziehen hab?« Sie
überlegte einige Wimpernschläge lang. »Oder hast du nen Rasierapparat da?«
Der Sänger blickte auf eine kleine schwarze Locke, die sich unter ihrem Slip herausringelte, und errötete. »Himmelherrgott«, fluchte er, »gib schon her!«
Brummend setzte er sich mit der Perücke vor den Schminkspiegel. Gwendolyns letzte Hülle fiel für ihn seitenverkehrt.
Die nackte Hospitantin lehnte am Türrahmen. »Irgendwas fehlt immer noch«, murmelte sie. Mit den oberen Schneidezähnen knetete sie ihre Unterlippe. »Natürlich, die Augenklappe!«
Langsam drehte sich der Sänger zu ihr um. »Sag mal, du bist doch nicht etwa pervers, oder?«
»Ich«, zirpte sie, »pervers ?« Sie trat hinter ihn und ließ die schwarze Klappe über seine Stirn schnalzen.
»Menschenskind «, jaulte er,» paß doch auf!«
Gwendolyn klatschte in die Hände. »Prima, ganz, ganz prima«, freute sie sich. Sie nahm den Sitzenden bei der Hand. »So und jetzt komm.«
»Wie, komm? «
Die Hospitantin stampfte ungeduldig auf. »Zu Brünnhildes Felsenburg. Du glaubst doch nicht ernsthaft, Wotan würde hierin diesem Kabuff vögeln.«
Ein ratloses
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