Ringwelt 04: Brennans Legende
Hälfte der Protektoren war am Ende der Reise tot gewesen. Sie waren nicht verhungert oder durch Gewalt gestorben, sondern an Altersschwäche. Das an sich war derart ungewöhnlich, daß man der Botschaft sogar eine medizinische Beschreibung hinzugefügt hatte. Sie waren an gelben Sonnen ohne Planeten vorbeigekommen und an gelben Sonnen, die nur von Gaswelten umkreist wurden. Sie waren an gelben Sonnen mit geeignet erscheinenden Welten vorbeigekommen, doch diese hatten so weit vom Kurs abgelegen, daß sie mit der geringen Manövrierreserve an Cäsium unerreichbar gewesen waren. Interstellarer Staub und die galaktische Gravitation hatten ihr seltsames Fahrzeug langsamer und langsamer gemacht und die Manövrierreserve damit vergrößert. Der Himmel war dunkler geworden, und es hatte weniger und weniger Sterne gegeben.
Dann hatten sie einen Planeten gefunden.
Sie hatten das Schiff abgebremst. Sie hatten die letzten Reste Plutonium in die Antriebe der Landefahrzeuge transferiert und waren gelandet. Es war keine endgültige Entscheidung gewesen, doch falls der Planet sich als ungeeignet erwies, hätten sie Jahrzehnte arbeiten müssen, um ihr Felsenschiff wieder raumtauglich zu machen.
Der Planet trug Leben. Ein Teil war feindlich, doch nichts, mit dem sie nicht fertig geworden wären. Es gab fruchtbaren Boden. Die überlebenden Protektoren weckten die Brüter und ließen sie in die Wälder laufen, damit sie wuchsen und sich vermehrten. Sie pflanzten Getreide, gruben Minen und konstruierten Maschinen, die weitere Minen gruben und das Getreide hegten …
Der schwarze, nahezu sternenlose Himmel verschreckte einige von ihnen, doch nach und nach gewöhnten sie sich daran. Der häufige Regen störte andere, doch er schadete den Brütern nicht, und somit war alles in Ordnung. Es gab genügend Raum für alle, und die Protektoren kämpften nicht untereinander. Keiner hörte auf zu essen. Es gab Raubtiere und Bakterien, die es zu bekämpfen und auszurotten galt, sie mußten eine gänzlich neue Zivilisation errichten … sie hatten alle Hände voll zu tun.
Mit dem Frühjahr und dem Sommer reifte das Getreide – und mit der Ernte wurde das ganze Ausmaß des Desasters deutlich. Mit dem Lebensbaum stimmte etwas nicht.
Die Kolonisten begriffen zunächst nicht, was vorging. Das Getreide hatte ganz normal ausgetrieben. Es sah aus und schmeckte wie Lebensbaum, doch der Geruch war irgendwie … falsch. Und was die Auswirkungen auf Brüter und Protektoren anging, so hätten sie ebenso gut Gras essen können.
Sie konnten nicht in den Raum zurück. Der karge Rest an Lebensbaumwurzeln, den sie noch in ihren Lagern hatten, bedeutete eine festgelegte Zahl an Arbeitsstunden für die Protektoren. Sie konnten vielleicht die Cäsiumtanks wieder auffüllen, und vielleicht gelang es ihnen in der verbleibenden Zeit sogar, eine Plutoniumindustrie zu errichten, aber eine andere Pak-ähnliche Welt finden und erreichen? Nein. Und falls doch – welche Garantie gab es, das der Lebensbaum dort gedeihen würde?
Sie hatten ihre letzten Jahre damit verbracht, einen gigantischen Laser zu konstruieren, dessen Strahl stark genug war, um die Staubwolken zu durchdringen, hinter denen sich das galaktische Zentrum verbarg. Sie wußten nicht, daß sie Erfolg gehabt hatten. Sie wußten nicht, was mit der Ernte nicht stimmte; sie vermuteten einen Mangel an Licht einer bestimmten Wellenlänge oder Licht im allgemeinen, obwohl ihre Experimente mit dem Sonnenspektrum ergebnislos verlaufen waren. Sie hatten detaillierte Informationen über die Blutlinien ihrer Brüter mitgeschickt, in der Hoffnung, daß einige der Linien überlebten. Und sie hatten um Hilfe gebeten.
Das war zweieinhalb Millionen Jahre her.
Phssthpok saß bei der Kiste mit den Wurzeln und aß und las. Er hätte gelächelt, wenn sein Gesicht dies zugelassen hätte. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie seine Mission jeden kinderlosen Protektor der gesamten Pak-Welt mit einbeziehen würde.
Diese Brüter hatten zweieinhalb Millionen Jahre lang ohne den Lebensbaum auskommen müssen. Ohne die Möglichkeit, je das Protektor-Stadium zu erreichen. Als dumpfe Tiere.
Und Phssthpok allein wußte, wie er sie finden konnte.
Stellen Sie sich vor, Sie fliegen von New York in den USA nach Piquetsburg in Nordafrika. Plötzlich werden Sie gewahr, daß Ihnen New York in der einen und Piquetsburg in der anderen Richtung davonfliegt und daß ein Hurrikan Ihr Flugzeug in einer dritten Richtung vom Kurs abbringt
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