Ringwelt 04: Brennans Legende
auf einer Schnur; menschliche Zeichensprache für: Alles in Ordnung.
»Das muß es von Brennan gelernt haben«, spekulierte Nick.
»Sehen Sie sich die Knochen an«, verlangte Garner. »Das Skelett entspricht dem eines Menschen.«
»Die Arme sind viel zu lang für einen Menschen. Und der Rücken ist stärker gebeugt.«
»Ja, gut. Nun, wir können es nicht mit zurück zum Schiff nehmen, und wir können nicht mit ihm reden, jedenfalls nicht, solange es in diesem Sack steckt. Wir müssen warten, bis die Blase wieder gefüllt ist.«
»Ich glaube allmählich, wir verbringen die meiste Zeit mit Warten«, brummte Luke.
Nick nickte. Er trommelte mit den Fingern auf die Rücklehne eines Sitzes. Seit zwanzig Minuten lief der kleine Konverter des Bootes auf Hochtouren, um die Blase wieder mit Luft zu füllen, indem er die dünne, giftige Marsatmosphäre elektrisch zerlegte und anschließend verdichtete.
Der Alien hatte sich in der ganzen Zeit nicht bewegt und ständig unter Lukes Beobachtung gestanden. Das Wesen hockte in seinem luftgefüllten Sack am Boden des Staubboots und wartete. Die verblüffend menschlichen Augen lagen tief in Höhlen, die ringsum mit harten, ledrigen Wülsten geschützt waren. Der Alien musterte unbewegt die beiden Menschen. Genau so, mit der gleichen stoischen Ruhe mochte ein Toter auf das Jüngste Gericht warten.
»Zumindest befinden wir uns im Vorteil«, sagte Nick. »Er wird uns wohl kaum entführen.«
»Ich schätze, er ist wahnsinnig …«, mutmaßte Garner.
»Wahnsinnig? Vielleicht sind seine Motive ein wenig seltsam …«
»Betrachten Sie doch die Tatsachen, Nick! Er kam mit einem Schiff in unser System, das gerade adäquat war, um hierher zu gelangen. Der Lufttank war so gut wie leer. Nirgendwo an Bord fanden wir Hinweise auf Notsysteme. Er hat keinen Versuch unternommen, mit jemandem in Kontakt zu treten, jedenfalls soweit wir es beurteilen können. Er hat Brennan entführt und vielleicht getötet. Dann hat er sein Sternenschiff aufgegeben und ist zum Mars geflohen, wahrscheinlich, um sich zu verstecken. Und jetzt hat er seinen Lander mitsamt Brennans sterblichen Überresten ebenfalls aufgegeben und rollt in einem überdimensionierten Frühstücksbeutel über die Marswüste auf den erstbesten Ort zu, den ein Forschungsschiff ansteuern würde! Er ist vollkommen durchgeknallt! Wahrscheinlich aus einer interstellaren Irrenanstalt abgehauen.«
»Sie sagen dauernd ›er‹, Luke. Meiner Meinung nach ist das Wesen ein Neutrum. Denken Sie von ihm als Neutrum, und Sie verstehen sein merkwürdiges Verhalten vielleicht besser.«
»Meinen Sie? Das Universum ist rational. Wenn dieses Ding überleben will, muß es sich ebenfalls rational verhalten, ob es nun ein Es, eine Sie oder ein Er ist.«
»Noch ein paar Minuten, und wir können …«
Das Alien bewegte sich. Seine Hand fuhr der Länge nach über das transparente Material des Sacks.
Im gleichen Augenblick hob Nick die Pistole. Im gleichen Augenblick – doch das Wesen streckte die Hand durch den Riß im Sack und entwand Nick die Waffe, bevor er reagieren konnte. Es hatte dabei nicht einmal den Anschein von Hast erweckt. Das Wesen legte die Waffe hinter sich auf den Boden und stand auf.
Und dann sprach es sie an. Seine Aussprache war voller Klack-, Rassel- und Schnalzlaute. Der platte, harte Schnabel behinderte es offensichtlich, aber die beiden Menschen verstanden es trotzdem.
»Bringen Sie mich zu Ihrem Anführer«, verlangte es.
Nick erholte sich als erster. Er straffte die Schultern, räusperte sich und sagte: »Das bedeutet eine Reise von mehreren Tagen. Einstweilen möchten wir Sie im Sonnensystem der Menschen willkommen heißen.«
»Ich fürchte, da irren Sie sich«, sagte das Monster. »Ich hasse es, Ihnen den Tag zu verderben, aber mein Name ist Jack Brennan, und ich bin – oder war – ein Belter. Sie sind doch Nick Sohl oder?«
KAPITEL DREI
Das ehrfürchtige Schweigen wurde von Lukes lautem Gelächter durchbrochen. »›Denken Sie von ihm als Neutrum, und Sie verstehen sein merkwürdiges Verhalten besser …‹ Hahaha …«
Nick spürte, wie Panik ihm die Kehle zuzuschnüren drohte. »Sie! Sie sind … Brennan?«
»Ja. Und Sie sind Nick Sohl. Ich habe Sie einmal gesehen, als ich in Haft saß. Aber Ihren Freund da kenne ich nicht.«
»Lucas Garner.« Luke hatte sich unter Kontrolle. »Die Fotografien werden Ihnen in keiner Weise gerecht, Mister Brennan.«
»Ich habe etwas Dummes getan«, sagte das
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