Ringwelt 04: Brennans Legende
zum Kraterrand. Allem Anschein nach hatte man ihn mit dem Nachrichtenlaser der Basis angelegt. Dort lagen auch noch die Boote vertäut. Nick blieb nicht stehen, um sie zu untersuchen.
Das Kuppelmaterial wies Dutzende von Schnitten auf. Nick fand zwölf ausgetrocknete Leichen im Innern. Die Marsianer hatten das Personal vor mehr als einem Jahrhundert ermordet. Sie hatten Müller auf die gleiche Weise umgebracht, nachdem es ihm gelungen war, die Kuppel wieder aufzublasen.
Nick durchsuchte nacheinander jedes der kleinen Gebäude. An manchen Stellen mußte er unter dem transparenten Material der Kuppel hindurchkriechen. Nirgendwo wartete ein Outsider auf ihn. Nirgendwo fand er einen Hinweis, daß seit Müllers erzwungenem Besuch ein Lebewesen seinen Fuß in die Basis gesetzt hätte.
»Sackgasse«, berichtete er schließlich. »Was machen wir jetzt?«
»Wenn wir kein Staubboot finden, müssen Sie mich Huckepack tragen.«
Staub hatte sich auf den Booten abgesetzt und nichts außer flachen, breiten Umrissen in der gleichen Farbe wie alles andere übrig gelassen. Seit zwölf Jahren warteten sie auf eine weitere Welle von Forschern – Forschern, die das Interesse verloren hatten und nach Hause zurückgekehrt waren. Es war gespenstisch. Vielleicht erwarteten einen ägyptischen Pharao in seiner Unterwelt Geister wie diese: Reihe um Reihe dumpfer, gläubiger Diener, die vor ihm gegangen waren und inzwischen seit Ewigkeiten auf ihn warteten.
»Von hier aus sehen sie ganz intakt aus«, sagte Luke. Er rutschte auf Nicks Schultern in eine bequemere Stellung. »Wir haben Glück, Sindbad.«
»Darauf würde ich noch nicht wetten.« Nick setzte sich über den Staubsee in Richtung Kuppel in Bewegung. Luke behinderte ihn kaum, denn er selbst wog auf der Marsoberfläche nur wenig – gemeinsam waren sie allerdings recht kopflastig. »Wenn ich falle, versuche ich seitwärts zu fallen. In diesem Staub tut sich wenigstens keiner von uns beiden weh.«
»Fallen Sie nicht.«
»Die Flotte der Vereinten Nationen wird wahrscheinlich ebenfalls herkommen. Um die Boote zu holen.«
»Sie sind Tage hinter uns. Kommen Sie, weiter.«
»Der Weg ist schlüpfrig. Überall Staub.«
Drei der Boote lagen längs der Westseite aufgereiht. Jedes besaß vier Sitze und ein Paar Propeller unterhalb der Staublinie. Sie saßen in Käfigen, zum Schutz vor untergetauchten Felsen. Die Staubboote waren so flach, daß jede richtige Welle sie versenkt hätte, doch im schweren Marsstaub sanken sie kaum ein.
Nick ließ seine Last nicht allzu liebevoll in einen der Sitze fallen. »Versuchen Sie, die Maschine zu starten, Luke. Ich gehe in die Kuppel und suche nach Treibstoff.«
»Wahrscheinlich Hydrazin, zusammen mit komprimierter Marsluft als Oxidationsmittel.«
»So genau wollte ich das gar nicht wissen. Ich suche einfach nach etwas, wo ›Treibstoff‹ draufsteht.«
Luke gelang es, den Kompressor zu starten, doch der Motor wollte nicht anspringen. Wahrscheinlich leere Tanks, vermutete er und schaltete alles ab. Im Heck fand er eine zusammengefaltete Kuppelpersenning. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß sie manuell betätigt wurde, zog er sie über das Boot und verriegelte die Halterungen. Dabei hielt er sich mit der freien Hand an einem Sicherheitsgurt fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mit seinen langen Armen und breiten Händen hatte er niemals einen Wettstreit im Armdrücken verloren. Die Ränder der Kuppel sind wahrscheinlich undicht, meinte er, aber wohl nicht ernsthaft. Er fand die Inspektionsluke, hinter der sich ein Luftkonverter verbarg. Der Apparat zerlegte die Stickoxide der Marsatmosphäre in ein für Menschen atembares Gemisch aus Stickstoff und Sauerstoff.
Nick kehrte zurück. Er trug einen grünen Tank auf der Schulter und befüllte das Boot mit Hilfe eines Druckschlauchs. Luke betätigte erneut den Kompressor, und diesmal sprang der Motor leicht an und lief ruhig. Das Boot setzte sich augenblicklich in Bewegung. Luke fand den Leerlauf, dann den Rückwärtsgang. Nick wartete auf dem Steg, bis er wieder heran war.
»Und wie soll ich durch die Plane kommen?«
»Sie kommen gar nicht durch die Plane, schätze ich«, erwiderte Garner. Er ließ die Luft entweichen, öffnete auf Nicks Seite die Versiegelung und schloß sie hinter ihm wieder. Die Blase füllte sich langsam erneut mit Luft. »Wahrscheinlich behalten wir unsere Druckanzüge besser an«, mutmaßte Luke. »Dauert sicher eine gute Stunde, bis wir hier drin atmen
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