Ringwelt 04: Brennans Legende
Glucke spielen sollte, mißfiel ihm zutiefst – wie auch die Vorstellung, allein nach Wunderland zu gehen.
Am Mittag des fünften Tages war der Protektor verschwunden, als Roy ihn besuchen wollte. Er fand ihn in einer der Kavernen, zu denen ihm der Zutritt verboten war: im hydroponischen Garten. Brennan ging an einem offenen Hydroponiktank entlang und stopfte sich eine Süßkartoffel nach der anderen in den Mund.
Das Prisma warf ein Spektrum mit Linien in allen Regenbogenfarben auf die weiße Oberfläche. Brennan deutete auf eine hellgrüne Linie. »Beryllium«, erklärte er. »Blauverschoben. Die Heliumlinien leuchten im oberen Violett. Normalerweise strahlt Beryllium im Infrarot.«
»Blauverschoben.« Jedes Schulkind wußte, was das zu bedeuten hatte. »Er kommt genau auf uns zu.«
»Vielleicht auch nicht. Vielleicht kommt er auf uns zu, aber nicht ganz genau. Wir sind erst ein paar Lichtwochen außerhalb Sols, und er ist ein ganzes Lichtjahr weit weg. Außerdem glaube ich, daß er bremst. Ich muß nachsehen, um herauszufinden, ob wir seinen Abgasstrom orten können.
Aber ich glaube, er hat es tatsächlich auf Sol abgesehen.«
»Brennan, das ist verdammt schlecht.«
»Schlechter geht’s nicht. In einem Monat wissen wir es mit Sicherheit. Bis dahin hat er sich ein gutes Stück bewegt, und wir haben eine Parallaxe auf ihn.«
»Ein Monat! Aber …«
»Warte, einen Augenblick. Beruhige dich. Wie weit kann er in einem Monat kommen? Er ist ein gutes Stück unterhalb der Lichtgeschwindigkeit; wahrscheinlich sind wir schneller als er. Ein Monat kostet uns nicht viel – außerdem muß ich herausfinden, wie viele es sind und wohin sie wollen. Ich muß noch etwas bauen.«
»Was denn diesmal?«
»Einen Apparat. Etwas, das mir eingefallen ist, nachdem wir die Pak-Flotte entdeckt haben und ich erkannte, daß möglicherweise Scouts die Vorhut bilden. Du findest die Konstruktionspläne im Computer.«
Roy fürchtete sich nicht davor, einsam zu sein. Er fürchtete eher das Gegenteil. Brennan war ein merkwürdiger Gesellschafter, und die Protektor würde ziemlich überfüllt sein, wenn Roy schließlich von der Flying Dutchman ablegte. Eine Woche oder so hielt er sich vom Observatorium fern, während er bewußt sein Alleinsein genoß. Er schwebte im leeren Trainingsraum mitten in der Luft und bewegte Arme und Beine in weiten Kreisen. Er wollte sich später an diesen Raum erinnern können. Dieser halb ausgehöhlte Felsenball war einfach zu klein für einen Mann, der lieber auf Berge kletterte. Einmal schlug er Brennan eine weitere Kampfsimulation vor. Brennans Modelle der Pak-Scouts würden inzwischen genauer sein, dachte er – doch Brennan hatte überhaupt keine. »Du weißt alles, was du jemals über kämpfende Pak lernen kannst«, sagte er. »Macht dir das angst?«
»Ja, zum Teufel!«
»Freut mich zu hören.«
Eines Tages war Brennan nicht in seinem Labor. Roy machte sich auf die Suche nach ihm. Je länger es dauerte, desto verbissener suchte er. Brennan schien nirgendwo an Bord zu sein.
Schließlich fragte er sich: »Was würde Brennan an meiner Stelle tun? Benutze deine Logik. Falls er nicht an Bord ist, muß er draußen sein. Was gibt es dort draußen, was er brauchen könnte?«
Richtig. Vakuum. Und Zugang zur Oberfläche.
Der Baum, das Gras, der Schlamm des ehemaligen Teiches – sie alle waren gefriergetrocknet und tot. Die Sterne leuchteten hell und unheimlich und viel realer als auf den Sichtschirmen. Roy sah sie als Schlachtfeld: ungesehene Welten, um die gekämpft wurde, Gashüllen rund um die Sterne als tödliche Fallen für unvorsichtige Kämpfer.
Er sah Brennans Lampe.
Brennan arbeitete im Vakuum. Er baute … irgendetwas. Sein umgearbeiteter Druckanzug wirkte fremdartig und anachronistisch zugleich, und das Design auf der Brust war ein Teil eines Gemäldes von Dali: eine Frau und ein Kind, beide wunderschön. Ein zerrissener Laib Brot schwebte im Fenster des Kinderkörpers, und er sah mit einem ernsten, nachdenklichen Blick darauf.
»Komm mir nicht zu nahe«, warnte Brennan ihn über Helmfunk. »Ich hatte reichlich Zeit, mit dieser Felsenkugel herumzuspielen, während ich Kobold geformt habe. Überall unter der Oberfläche befinden sich Deponien reiner Elemente.«
»Was machst du da?«
»Etwas, das imstande sein sollte, einen polarisierten Gravitationsgenerator auf eine größere Entfernung hin zu stören. Falls sie künstliche Gravitation benutzen, um ihre Schiffe aneinander zu
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