Ringwelt 05: Crashlander
Autodoc, wie man ihn an jeder Straßenecke finden konnte. Er war technisch an der Grenze des Machbaren und in vielerlei Hinsicht intelligenter als ein Mensch. Er würde alles heilen, was die Sonne mir antun konnte.
Ich zog mich auf die Beine und machte ein paar vorsichtige Schritte. Autsch! Die Korallen schnitten mir in die Fußsohlen. Auch das konnte der Autodoc heilen, sicher, doch es tat trotzdem weh.
Als ich stand, konnte ich den größten Teil der Insel überblicken. Das Zentrum ragte auf wie ein kleiner Vulkan. Die Fafnirkorallen hatten eine kleine flache Insel errichtet, mit einem niedrigen Kegel in der Mitte: Behausung für einen Symbionten, einen Lampenanzünder. Ich hatte mit dem Lander über dem Loch geschwebt, während die Motoren das Nest des Lampenanzünders ausgeräuchert hatten, bis es groß genug gewesen war, um dem Schiff Platz zu bieten.
Nur der Autodoc und ich und eine tote Insel. Ich würde im Autodoc leben müssen. Nur in der Nacht konnte ich nach draußen – wie ein Vampir. Meine Chance, daß ich gefunden wurde, war sicherlich verschwindend gering, wenn mich schon in den vergangenen vier Monaten und elf Tagen kein vorüberkommendes Schiff entdeckt hatte.
Ich kletterte. Die Korallen schnitten in meine Hände, Füße und Knie. Vom Kegel herab würde ich einen Blick über die gesamte Insel haben.
Die Grube maß zweihundert Fuß im Durchmesser. Der Boden war schwarz verbrannt, glatt und lag sieben oder acht Fuß tiefer. Feather hatte die Antriebe des Landers so eingestellt, daß er sich langsam selbst in den Boden schmolz und dabei nicht auffällig viel Hitze abstrahlte. Inzwischen bedeckten mehrere Zoll Regenwasser die Schlacke, und darin lag etwas.
Es konnte ein Mensch sein … vielleicht ein großer Mann, jemand, der in geringer Gravitation aufgewachsen war. Zu groß für Carlos. Oder Sharrol oder Feather. Und wer war übrig?
Ich sprang nach unten. Landete unbeholfen auf der Schlacke, rutschte ab und fiel der Länge nach ins Wasser. Ich rappelte mich wieder hoch. Zum Glück hatte ich mich nicht verletzt. Unter den Fußsohlen ertastete ich ein rechteckiges Muster aus Linien und Graten: den Abdruck des Landers im geschmolzenen Kalk der Korallen. Die Polizei würde leicht herausfinden, woher der Abdruck stammte, falls sie einen Blick darauf warf – doch warum sollte sie?
Das Wasser fühlte sich gut an auf meinen ruinierten Füßen. Und auf meiner Haut. Ich hatte bereits einen Sonnenbrand. Albinos vertragen eben kein gelbes Zwergsonnenlicht.
Ein Leichnam war nicht weiter überraschend, wenn ich meine Erinnerungen bedachte. Ich musterte ihn. Er hatte einheimische Männerkleidung getragen: Stiefel, lockere, weite Hosen, die mit einer Kordel zusammengehalten wurden, eine Jacke, die von Taschen übersät war. Die Jacke wies ein großes, ausgefranstes Loch in Vorder- und Rückseite auf. Es konnte nur von Feathers gräßlicher ARM-Waffe herrühren. Aus dieser Nähe war der Kopf … Ich hatte die ganze Zeit über geglaubt, er müsse unter Wasser sein, doch es gab überhaupt keinen Kopf. Nichts als weiße, blanke Knochen und eine glatt durchtrennte Halswirbelsäule.
Ich begann zu hyperventilieren. Ich fühlte mich benommen und setzte mich neben das Skelett, weil ich sonst hingefallen wäre.
Diese langen Knochen sahen aus, als wären sie bedeutend länger als vier Monate tot. Jahre, Jahrzehnte … halt, einen Augenblick. Wir hatten zwar das Nest ausgeräuchert, doch draußen hatten bestimmt Lampenanzündersoldaten überlebt. Sie waren zurückgekehrt, hatten sich über den Leichnam hergemacht und die Knochen fein säuberlich abgenagt.
Ich wich mit dem Rücken gegen eine Wand aus geschmolzenen Korallen zurück. Mein Magen drehte sich. Das war viel schlimmer als alles, was ich mir vorgestellt hatte. Ich wußte, wer dieser Leichnam war.
Sonnenlicht verbrannte meinen Rücken. Meine Augen tränten, und ich konnte kaum noch sehen in der grellen Helligkeit. Die Zeit spielte gegen mich: Ich wurde sehr viel schneller sehr viel kränker, als mir eigentlich lieb gewesen wäre.
Ich überwand mich, die Stiefel zu nehmen, schüttelte die Knochen heraus und zog sie an. Sie waren zu groß.
Die Jacke war eine Seemannsjacke, einheimischer Schnitt. Die Schultern sahen aus, als wären sie gepolstert: Schwimmstücke, für den Fall der Fälle. Die gesamte Vorderseite und die Seitenteile waren mit Taschen übersät, vollgestopft mit Gegenständen, doch die Taschen der Vorderseite waren mitsamt Inhalt zu Schnipseln
Weitere Kostenlose Bücher