Ringwelt 05: Crashlander
auszutreten. Nichts geschieht. Erneut, angestrengter. Beweg dich! Keine Chance. Der Doc schwebt über der Schwebebahre, doch er widersteht meinen Bemühungen. Schieben! Eine Stimme hinter mir, ich drehe mich um, sie hält eine Art Rohr. Päng! Mein Kopf rollt über schwarzen Sand. Agonie durchzuckt mich, dann wird mein Körper taub. Versuch durchzuhalten, bleib wach … doch dann verschwimmt alles.
Mein Gleichgewichtssinn tanzt in meinem Innenohr Tango. Wo ist die Planetenachse? Fafnir besitzt keine Polarkappen. Der veraltete Lander steuert sich selbst. Carlos blickt besorgt drein, doch Feather amüsiert sich wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Unten auf der Oberfläche: Ein Hurrikan, platt gedrückt auf der einen Seite. Unter der riesigen Wolkenspirale zerteilt eine rötliche Schlange das Blau eines weltumspannenden Ozeans. Ein lang gestreckter, schmaler Kontinent, der sich fast von einem Pol zum anderen erstreckt.
Der Lander tritt über dem konturlosen Ozean in die Atmosphäre ein. Nichts dort unten scheint uns zu beobachten. Ich bringe uns schnell nach unten. Größere Inseln mit flachen, massiven Gebäuden darauf. Ich suche eine kleinere Insel aus. Schwebe über dem Land, während die Antriebsflamme die Höhle des Lampenanzünders tiefer und tiefer aushöhlt, verbreitert, bis der Lander in das Loch sinkt, millimetergenau. Plan A verläuft genau wie vorgesehen.
Ich erinnere mich, wie Plan A endete. Das Programm des Autodocs spürt meinen Streß und schaltet mich ab.
Ich liege in Carlos Wus Autodoc, im Intensivkasten. Das medizinische Programm peitscht mein Gehirn voran, läßt mich immer wieder meine Erinnerungen durchleben und erhält auf diese Weise die Gedankenmuster lebendig, damit sie nicht im Nichts verschwinden, während mein Körper und mein Hirn verheilen.
Ich muß entsetzlich verwundet sein.
Das Erwachen kam plötzlich. Meine Augenlider klappten hoch, und ich fand mich auf dem Rücken liegend, die Nase zwei Zoll vom Glas entfernt. Sonnenlicht gleißte durch eine aufgerissene Wolkendecke. Über mir Displaylichter, blinkend. Ich fühlte mich wie neugeboren, voller Energie.
Ihr Götter, wie lange hatte ich gelegen? All diese Träume … Erinnerungen an Träume.
Ich versuchte mich zu bewegen. Ich war in eine Elastanhülle eingeschweißt. Mit beträchtlicher Anstrengung gelang es mir, den Arm hoch und über die Brust zu ziehen, so daß ich die Displays erreichen konnte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich sie verstand.
Biomassetank: nahezu leer. Behandlungsdaten: Seitenweise Diagnosen, grauenhaft … Behandlung erfolgreich beendet. Datum: O mein Gott! Vier Monate! Ich hatte vier Monate und elf Tage im Autodoc verbracht.
Ich tippte ein: ÖFFNEN.
Der dunkle Glasdeckel schob sich zurück, und grelles Sonnenlicht erfaßte mich. Ich kniff die tränenden Augen zusammen. Nach einer Weile zog ich mich am Rand meines Intensivkastens hoch und rollte nach draußen.
Mein Gleichgewichtssinn war vollkommen außer Gefecht. Ich landete wie ein schlaffer Sack – auf Sand, aber ich brachte es fertig, weder zu schreien noch zu fluchen. Wer weiß, wer in der Nähe ist und zuhört? Ich setzte mich auf, blinzelte schmerzerfüllt und blickte mich um.
Ich befand mich immer noch auf der Insel.
Sie bestand aus verwitterten Korallen und war von nahezu symmetrischer Form mit einem Hügel im Zentrum. Die Luft war kristallklar, und der Ozean erstreckte sich zu allen Seiten bis zum Horizont. Ganz weit entfernt erkannte ich ein paar weitere winzige Inseln.
Ich saß splitterfasernackt und weiß wie ein Leichnam unter dem grellen Schein einer gelb-weißen Zwergsonne. Die Luft roch intensiv nach Salz und nach organischem Leben. Meeresleben.
Wo waren die anderen?
Ich versuchte aufzustehen, wankte, gab mein Vorhaben auf und kroch in den Schatten des Autodocs. Noch immer verspürte ich ein ausgesprochenes Wohlbefinden, als könnte ich mit allem fertig werden, was das Universum mir entgegenzustellen vermochte.
Im Verlauf halbwacher Augenblicke hatte ich irgendwie herausgefunden, wo ich mich befinden mußte. Und jetzt stand ich hier, halb tot und vollgepumpt mit Chemikalien, einsam und verlassen auf einem schwarzen Sandstrand. Ein ziemlich ungeschützter Ort für etwas so Wertvolles, doch hier hatte ich es zuletzt gesehen, bereit zum Verladen an Bord des Schiffs.
Das Sonnenlicht würde mich in Minutenschnelle verbrennen, und in ein paar Stunden wäre ich tot, doch Carlos Wus wundervolle Maschine war kein gewöhnlicher
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