Ringwelt 06: Flatlander
Zerlegen exekutiert und die Körperteile in Organbänke geschafft werden? Der Leser, der mich darüber informierte, war entsetzt: die meisten der Teilnehmer hatten für Ja gestimmt.
Man kann beobachten, wie sich die Zukunft in drei mögliche Richtungen entwickelt: Organtransplantationen gelingen immer häufiger, und die Patienten leben länger. Allerdings schreitet die Entwicklung prothetischer Apparaturen fast noch schneller voran. Man braucht kein transplantiertes Kniegelenk, wenn die künstliche Version besser ist. Und Ihr künstliches Herz kann ohne weiteres älter werden als Sie selbst.
Die dritte Richtung ist ebenfalls nicht gerade neu, aber sie ist wichtig. Klonen Sie doch einfach Ihre eigenen Körperteile! Es gibt kein Abstoßungsproblem. Sicher, Sie müßten rechtzeitig klonen, was Sie benötigen – bevor der Bedarf entsteht –, und falls Sie keine Vorbereitungen getroffen haben … dann ist die dringend benötigte neue Leber keine Strafe Gottes, sondern die eigene verdammte Schuld. Wen sollen wir jetzt zerlegen?
Letzten Monat erhielt ich eines Abends einen Anruf von George Scithers, der mir nach unserem Gespräch einige Zeitungsartikel zusandte. Indien weidet seine zum Tode verurteilten Verbrecher bereits seit 1964 aus, um ihre Organe für Transplantationen zu verwenden.
Die Praxis ist ganz einfach: Der Spender ist zum Tode verurteilt. Methode: Genickschuß. Hinterher wird er den Ärzten übergeben. Wenn der Scharfrichter schlecht zielt, lebt der Verurteilte noch, während seine Organe entnommen werden.
Die Transplantate werden in der Regel wieder abgestoßen, weil sich indische Ärzte nicht die Mühe machen, passende Typen zu finden. Aber, bei Gott, es sind frische Organe! Und niemand kann Larry Niven vorwerfen, daß er es gewesen sei, der erstmals die Möglichkeiten aufgezeigt habe.
In China machen sie das gleiche. Eine fotokopierte Zeitungsseite in meiner Post verrät mir, wie ich an eine Broschüre zu diesem Thema gelangen kann, verfaßt von einer Menschenrechtsorganisation, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. ›Es werden Beweise vorgelegt, die zeigen, wie stark China auf hingerichtete Gefängnisinsassen zur Gewinnung von Organtransplantaten angewiesen ist, und die auf schwere Menschenrechtsverletzungen und Mißachtung jeder medizinischen Ethik hinweisen.‹ Organdiebstahl in unseren eigenen (westlichen) Städten ist längst keine Schlagzeile mehr: Tagtäglich finden wir unfreiwillige Spender blutend auf den Straßen, mit fehlenden Nieren oder Herzen.
Zur gleichen Zeit wurde Bill Rotsler ein Vierfach-Bypass gelegt; Adern aus seinen Beinen zum Herzen verpflanzt. Mein eigenes Knie heilt ohne Komplikationen nach einer Operation, bei der nicht einmal ein Skalpell zum Einsatz kam; nichts weiter als ein Laser, der einen defekten Meniskus ausgebrannt hat.
Die Frau auf der Station nebenan durchläuft ihre Physiotherapie, während die Wunde um ihr künstliches Kniegelenk ausgezeichnet verheilt.
Bleiben Sie dran.
Wir gestalten die Zukunft.
Heute.
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