Ringwelt 08: Der kälteste Ort
wir auf der Erde gelandet sind, wer von uns beiden recht hatte.«
»Ich nehme die Wette an.«
»Jetzt zünde ich die Rakete! Zwei – eins …«
Eine Riesenfaust schüttelte mich in meinem Metallanzug. Rußige Flammen schlugen bis zur Decke. Doch der rosige Nebel, der meine Quarzgläser bedeckte, stammte nicht von meinem brennenden Liegesitz …
Der Mann mit den dicken Brillengläsern breitete eine Konstruktionsskizze von dem Venusschiff vor mir aus und deutete mit dem Zeigefinger auf den Rand der Tragfläche. »Hier ungefähr ist es gewesen«, sagte er.
»Der Außendruck preßte die Kabelhülle ein wenig zusammen – nur so weit, daß die Leitung sich nicht verwerfen konnte, verstehen Sie? Die Drähte blieben starr, als wären sie aus einem Stück, kapiert? Doch als die Kabelhülle sich bei der übermäßigen Hitze ausdehnte, verschoben sich die Drähte geringfügig, und der Kontakt wurde unterbrochen.«
»Wahrscheinlich geschah an beiden Tragflächen das gleiche – habe ich recht?«
Der Mann sah mich erstaunt an. »Selbstverständlich!«
Ich schrieb einen Scheck über 5000 Dollar aus und schob ihn in Erics Postfach, ehe ich in ein Flugzeug nach Brasilien stieg. Wie er meine Adresse herausfinden konnte, ist mir schleierhaft. Aber heute Morgen erhielt ich ein Telegramm.
Howie, komm nach Hause! Alles verziehen!
Eric Donovans Gehirn
Ich glaube, es wird mir nichts anderes übrig bleiben.
GESTRANDET AUF PLUTO
(WAIT IT OUT)
Nacht auf Pluto. Scharf schneidet die Linie des Horizonts durch mein Sichtfeld. Die durchbrochene Linie unten ist grauweißer Schnee, auf den die Sterne scheinen. Darüber liegen die Schwärze des Raumes und die hellen Sterne des Vakuums. Hinter einer bizarren Reihe gefrorener Berge steigen die Sterne auf – einzeln, in Paaren oder in Bändern aus kalten, weißen Punkten. Langsam, aber für das Auge noch sichtbar, bewegen sie sich.
Irgendetwas kann da nicht stimmen: Die Umdrehungsgeschwindigkeit des Pluto ist langsam – 6,39 Tage. Die Zeit müßte hier spürbar langsamer verstreichen.
Sie müßte stillstehen.
Habe ich einen Fehler gemacht?
Der Horizont ist nahe, weil der Planet nicht sehr groß ist. Er scheint noch näher zu rücken, weil nur eine sehr dünne Atmosphäre die Entfernung verschleiert. Zwei scharfe Bergspitzen ragen in den Sternenschwarm hinauf wie die zugefeilten Schneidezähne eines Kannibalen. In der Schlucht zwischen diesen gefrorenen Bergspitzen steigt ein leuchtender Punkt auf.
Ich erkenne die Sonne, obwohl ihre Scheibe nicht größer ist als andere, schwächere Sterne. Die Sonne strahlt als kalter Punkt zwischen den gefrorenen Bergspitzen. Sie befreit sich aus der Schlucht und scheint in meine Augen …
Die Sonne ist fort, das Sternenfeld hat ein anderes Muster. Ich muß ohnmächtig geworden sein.
Habe ich einen Fehler gemacht? Er wird mich nicht umbringen. Trotzdem könnte ich rasend darüber werden …
Ich werde es nicht. Ich spüre nichts – keinen Schmerz, keinen Verlust, kein Bedauern, keine Furcht. Nicht einmal Mitleid. Was für eine Situation! Das ist alles.
Graues Weiß über grauem Weiß: Das Landungsfahrzeug, gedrungen und konisch zugespitzt, liegt halb vergraben auf der Eisebene unterhalb meiner Augenhöhe. Hier stehe ich, blicke nach Osten und warte.
Das kommt davon, wenn man nicht sterben will.
Pluto war nicht der äußerste Planet unseres Sonnensystems. Vor zehn Jahren, 1979, wurde diese Theorie umgestoßen. Jetzt stand Pluto im Perihel – so nahe der Sonne und der Erde, wie es seine Umlaufbahn erlaubte. So eine günstige Gelegenheit durften wir natürlich nicht ungenützt verstreichen lassen.
Deshalb kamen wir – Jerome, Sammy und ich – in einer aufgeblasenen Plastikblase, die auf einem Ionenstrom balancierte. Wir hatten anderthalb Jahre in dieser Plastikblase gelebt. Nach so einer langen Zeit, ohne wirkliches Privatleben, hätten wir uns eigentlich hassen müssen wie die Pest. Wir taten es nicht. Das psychologische Team der UN mußte gut gewählt haben.
Doch – was für eine Erleichterung, wenn man einmal für sich allein blieb, auch wenn es oft nur Minuten waren. Wenn man etwas tun konnte, was nicht vorhersehbar war. Eine neue Welt konnte unendlich viele Überraschungen bergen. Das gleiche traf aber auch für eine Maschine zu, die man im Labor gründlich getestet hatte. Ich glaube nicht, daß einer von uns blindes Vertrauen zu unserer Nerva-K hatte, die unser Landungsfahrzeug antrieb.
Man muß es nur
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