Ringwelt 08: Der kälteste Ort
gefunden.
Ich blicke nach Osten, über die kraterübersäte Ebene. Am Rande meines Sichtfeldes erscheint mein Landefahrzeug unverändert und unversehrt.
Mein Anzug liegt neben mir auf dem Eis. Ich stehe auf dem Gipfel eines schwarzen Felsens in meiner silberfarbenen Unterwäsche und blicke zum Horizont. Bevor die Kälte mein Gehirn erreichte, hatte ich noch Gelegenheit, diese heroische Haltung einzunehmen. Gehe nach Osten, junger Mann. Merkst du nicht, daß du die Himmelsrichtungen durcheinander bringst? Doch der Nebel meiner Atemluft hüllte alles ein, und ich bewegte mich mit schrecklicher Hast.
Sammy Cross muß inzwischen schon auf dem Weg zur Erde sein. Er wird Ihnen sagen, wo ich stehe.
Sterne strömen hinter den Bergen hervor. Die Ebene, Jerome und ich versinken unter den Sternen ins Bodenlose.
Meine Leiche wird die kälteste in der Geschichte der Menschheit sein. Selbst die Toten der Erde werden nur bei der Temperatur flüssigen Stickstoffs gelagert.
Plutos Nacht läßt diese Temperatur als gnadenlose Hitze erscheinen, nachdem die fünfzig Grad absoluter Temperatur des Tages in das Vakuum verströmen.
Ich bin zum Supraleiter geworden. Das Sonnenlicht erhöht meine Körpertemperatur viel zu sehr, schaltet mich bei Anbruch der Dämmerung ab wie eine verdammte Maschine. Doch nachts wird mein Nervensystem zum Supraleiter. Ströme fließen, Gedanken fließen, Empfindungen fließen. Sie fließen unendlich träge. Die hundertdreiundfünfzig Stunden von Plutos Rotation huschen vorüber, als wären sie nur eine Viertelstunde. Bei diesem Tempo kann ich sogar erwarten …
Ich stehe dort als Denkmal und Aussichtspunkt. Kein Wunder, daß mich nichts mehr erschüttern kann. Wasser ist hier Stein, und meine Drüsen sind Eisadern in meinem Innern. Doch ich empfinde den Zug der Schwerkraft, den Schmerz in den Ohren, das Saugen des Vakuums auf jedem Quadratzentimeter meines Körpers. Das Vakuum bringt mein Blut nicht zum Kochen. Doch die Anspannungen sind ebenfalls in mein Eis gebettet, und ich merke, wie der Wind von meinen Lippen pfeift, als stieße ich Zigarettenrauch aus.
Das kommt davon, wenn man nicht sterben will. Was für ein göttlicher Schmerz, wenn mein Wunsch in Erfüllung ginge!
Glauben Sie, daß man mich finden wird? Pluto ist nur ein kleiner Planet. Und das Schiff ist ein Wegweiser.
Aber es ist mit Frost bedeckt, grauweiß auf grauweißer Ebene. Es sieht aus wie ein natürlicher Eisklumpen auf einer Ebene aus Eis. Ich kann hier stehen bis in die Ewigkeit, ehe sie mein Schiff von der Umgebung unterscheiden können.
Aufhören! Sonnenlicht …
Die Sterne rollen am Himmel. Dieselben Formationen, immer von den gleichen Punkten sich entrollend. Ob auch Jeromes Leiche diesen Zustand besitzt? Dasselbe halbe Leben lebt wie ich? Er hätte sich ausziehen sollen, wie ich es getan hatte. Mein Gott! Ich hätte daran denken sollen, ihm das Eis von den Augen zu wischen!
Ich wollte, diese superflüssige Amöbe käme wieder zurück. Verdammt. Es ist kalt …
DAS OKTOPUSAUGE
(EYE OF AN OCTOPUS)
Es war ein Brunnen.
Henry Bedrosian und Christopher Luden beugten sich über den Rand und starrten in die undurchdringliche Finsternis hinunter. Ihr Motorrad mit den Luftgummireifen lag vergessen im feinkörnigen, rosafarbenen Sand, der sich in endloser Weite bis zum ebenen Horizont erstreckte, dessen Farbe vom Himmel entliehen war. Der Himmel war blutrot. Der Anblick glich einem flammenden Sonnenuntergang in Kansas, doch die winzige Sonne stand noch im Zenit. In der unwirtlichen Wildnis des Mars nahm sich der durchscheinende, behauene Stein aus wie eine Gotteslästerung.
Der Brunnen ragte ein gutes Stück aus dem Sand, war beinahe rund und besaß einen Durchmesser von knapp drei Metern. Der verwitterte Brunnen bestand aus Steinblöcken, von denen jeder etwa dreißig Zentimeter hoch, ebenso lang und zwölf Zentimeter breit war. Aus welchem Material die Steine auch bestehen mochten, sie schienen jedenfalls von einem schwachen inneren Glühen erfüllt.
»Er wirkt so menschlich!« sagte Henry Bedrosian. In seiner Stimme schwang ein Hauch enttäuschter Verwunderung mit, die sich in seinem dunklen Gesicht mit der scharf gezeichneten Nase deutlich widerspiegelte.
Chris Luden wußte, was er damit meinte. »Das ist ganz normal. Mit einem Brunnen ist es wie mit einem Hebel oder einem Rad. Diese Dinge sind so einfach, daß man nicht viel daran verändern kann. Ist dir die Form der Steine aufgefallen?«
»Ja. Seltsam.
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