Ringwelt 08: Der kälteste Ort
ohne – solche Dinge schon genug Probleme. Das ganze Projekt könnte von jemanden wie deinem Bruder zunichte gemacht werden.«
»Wie gut können wir Mörder gebrauchen?«
»Ziemlich gut im Augenblick.« Plötzlich wurde Carter klar, daß er jetzt sein eigener Verteidiger war. Wenn er Alf überzeugen konnte, daß er nicht hingerichtet werden durfte, dann konnte er auch die anderen überzeugen. Wenn nicht – mußte er die Blase zerstören oder sterben. Er fuhr fort, so überzeugend wie möglich zu reden.
»Weißt du, Alf, mit der Stadt sollen zwei Ziele erreicht werden. Zum einen will man herausfinden, ob wir in einer derartigen feindseligen Atmosphäre überhaupt leben können; zum anderen sollen wir mit den Marsbewohnern Kontakt aufnehmen. Wir sind nur fünfzehn Menschen in der Stadt …«
»Zwölf. Dreizehn, wenn ich zurückkomme.«
»Vierzehn, wenn wir beide zurückkommen. Jeder von uns ist zum Funktionieren der Stadt mehr oder weniger unentbehrlich. Sicher. Aber ich werde in beiden Bereichen gebraucht. Ich bin der Ökologe, Alf. Meine Aufgabe ist es nicht nur, dafür zu sorgen, daß die Stadt nicht aufgrund irgendeines Ungleichgewichts zugrunde geht, sondern ich muß darüber hinaus herausfinden, wie die Marsbewohner leben, wovon sie sich ernähren, in welcher Beziehung die Lebensformen auf dem Mars zueinander stehen. Verstehst du?«
»Sicher. Aber was ist mit Lew? War er nicht unentbehrlich?«
»Wir können ohne ihn auskommen. Er war der Funkspezialist. Mindestens zwei von uns haben genügend Erfahrung, um den Funkverkehr zu übernehmen.«
»Du machst mich wirklich glücklich. Gilt nicht dasselbe für dich?«
Carter dachte angestrengt nach. »Ja, insbesondere Gondot war in der Lage, das Versorgungssystem der Stadt ohne große Hilfe aufrechtzuerhalten. Aber – nicht mit der Ökologie auf dem Mars. Es gibt keine …«
»Es gibt keine Ökologie auf dem Mars. Jack, hat je ein Mensch irgendwelches Leben auf dem Mars entdeckt, abgesehen von der Mumie in Menschengestalt? Du kannst keine Ökologieforschung betreiben, wenn du nichts hast, von dem du deine Ableitungen machen kannst. Es gibt nichts, was du untersuchen könntest. Wozu bist du also nütze?«
Carter hörte nicht auf zu reden. Er redete immer noch, als die Sonne im Sandmeer versank und die Dunkelheit sie mit einem Schlag umfing. Doch inzwischen hatte er begriffen, daß es zwecklos war. Alfs Verstand hatte sich gegen ihn verschlossen.
Bei Sonnenuntergang war die Blase wieder straff gespannt, und der anfangs gequälte Schrei der hereinströmenden Atemluft hatte sich bereits in ein müdes Seufzen verwandelt. Generalmajor Shute öffnete die Schnallen an den Schultern und hob den Helm leicht an, bereit, ihn sofort wieder herunterzulassen, falls die Luft noch zu dünn war. Aber dem war nicht so. Er legte den Helm ab und gab den Männern, die ihn beobachteten, mit aufgerichtetem Daumen ein Zeichen.
Vorschriften. Die Männer hatten gewußt, daß die Luft sicher war. Aber wo Menschen arbeiteten, wurden Vorschriften streng eingehalten, und die erste Regel lautete, daß der Dienst habende Offizier den Helm als letzter auf- und als erster absetzte. Nun wurden die Druckanzüge abgelegt. Die Männer wandten sich ihren Aufgaben zu. Einige begaben sich in die Küche, um die Verwüstung, die das Vakuum zurückgelassen hatte, zu beseitigen, damit Hurley das Abendessen bereiten konnte.
Shute hielt Lee Cousins im Vorbeigehen auf. »Lee, kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
»Klar, Bürgermeister.« In der ganzen Blasenstadt wurde Shute nicht anders genannt als ›Bürgermeister.‹
»Ich brauche Ihre Hilfe als Schriftsteller«, sagte Shute. »Ich habe die Absicht, einen recht heiklen Bericht zur Erde zu schicken, wenn sie in unseren Sendebereich kommt, und ich möchte, daß Sie mir helfen, ihn überzeugend zu formulieren.«
»Schön. Zeigen Sie ihn mir.«
Die zehn Straßenlaternen leuchteten auf und vertrieben die Dunkelheit, die so plötzlich hereingebrochen war. Shute ging zu seinem Fertigbungalow voraus, schloß den Safe auf und händigte Cousins das Manuskript aus. Cousins wog es prüfend in der Hand. »Dick«, sagte er. »Könnte sich lohnen, es zu kürzen.«
»Unbedingt, wenn Sie etwas Überflüssiges darin finden.«
»Ich möchte wetten, daß mir das gelingt«, sagte Cousins grinsend. Er ließ sich auf das Bett fallen und begann zu lesen.
Zehn Minuten später fragte er: »Wie verbreitet ist die Homosexualität in der Navy?«
»Ich habe nicht
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