Ringwelt 08: Der kälteste Ort
weiterfahren und dann parallel zu Alfs Spur zurückkehren. Er würde sich erst drei Stunden später in Sichtweite der Blase befinden, und das ließ ihm drei Stunden Zeit, sich einen Plan zurechtzulegen.
Darauf würde der schwierigste Teil folgen. Ganz sicher würde jemand Wache stehen. Carter mußte an dem Wachtposten vorbeikommen – der vielleicht mit einem Flammengewehr bewaffnet war –, die Blase aufreißen und sich irgendwie in den Besitz der O-Tanks bringen. Wenn er die Blase aufriß, würden wahrscheinlich alle, die sich im Innern befanden, umkommen, aber einige würden sich sicher mit ihren Druckanzügen draußen aufhalten. Er mußte die O-Tanks auf seinen Buggy laden und die Absperrhähne der anderen Fahrzeuge öffnen, bevor die anderen ihn erreichten.
Die größten Sorgen bereitete ihm die Vorstellung, gegen ein Flammengewehr anrennen zu müssen … Aber vielleicht konnte er den Buggy auf die Blase zulenken und selbst abspringen. Das würde sich zeigen.
Allmählich wurden seine Lider schwer, und die Hände verkrampften sich. Aber er wagte es nicht, langsamer zu werden, und er wagte auch nicht zu schlafen.
Einige Male war er nahe daran, das Ortungsgerät in seinem Anzug zu zerschmettern. Solange das Ding ständig piepste, konnte Alf ihn jederzeit finden. Aber Alf würde ihn ohnehin immer finden. Seine Scheinwerfer waren ständig hinter ihm, fielen niemals zurück, kamen niemals näher. Wenn er Alf je aus den Augen verlieren würde, mußte das Ortungsgerät verschwinden. Aber es hatte keinen Sinn, ihn das wissen zu lassen. Noch nicht.
Sterne wurden vom schwarzen Westhimmel verschluckt. Wieder ging Phobos auf, diesmal heller als beim letzten Mal, und wieder stieg er so hoch, daß Carter ihn nicht mehr beobachten konnte. Deimos erschien jetzt über dem beständigen Lichtkegel von Alfs Scheinwerfern.
Plötzlich brach der Tag an, und schmale, schwarze Schatten reckten sich dem gelben Horizont entgegen. Am rötlich schwarzen Himmel schienen noch immer einige Sterne. Vor ihm lag ein Krater, ein Glasteller in der Wüste, klein genug, um ihn zu umrunden. Carter wandte sich nach links. Der Buggy hinter ihm folgte seinem Beispiel. Wenn es so weiterging, mußte Alf aufholen. Carter saugte Wasser und Nährflüssigkeit aus den Röhrchen in seinem Helm und konzentrierte sich aufs Lenken. Seine Augen brannten, und sein Mund fühlte sich an, als gehörte er einer Marsmumie.
»Morgen«, sagte Alf.
»Morgen. Lange geschlafen?«
»Nicht genug. Ich habe nur ungefähr sechs Stunden geschlafen, und zwar mit Unterbrechungen. Ich hatte ständig Angst, du könntest mich abhängen.«
Einen Augenblick lang überlief es Carter heiß und kalt. Dann begriff er, daß Alf ihn reizen wollte. Er hatte nicht mehr Schlaf gehabt als Carter.
»Schau nach rechts«, sagte Alf.
Zur Rechten befand sich die Kraterwand. Carter traute seinen Augen nicht und sah noch einmal hin, um sich zu vergewissern: Auf dem Rand war eine Silhouette zu erkennen, ein Schatten von der Gestalt eines Menschen vor dem roten Himmel. In einer Hand hielt sie etwas Langes, Dünnes.
»Ein Marsbewohner«, stieß Carter leise hervor. Ohne nachzudenken, wendete er sein Fahrzeug und begann den Hang hinaufzufahren. Im Abstand von einer Sekunde detonierten zwei Leuchtflammen vor ihm, und er riß die Lenkstange hart nach links.
»Verdammt, Alf! Das war ein Marsbewohner! Wir müssen hinterher!«
Die Silhouette war verschwunden. Ohne Zweifel war der Marsbewohner um sein Leben gerannt, als er die beiden Explosionen gesehen hatte.
Alf sagte nichts. Kein Wort. Und Carter setzte seinen Weg fort, brachte den Krater hinter sich, während in ihm mörderische Wut hochstieg.
Es war 11.00 Uhr. Die Spitzen einer Bergkette erhoben sich über den westlichen Horizont.
»Ich bin bloß neugierig«, sagte Alf, »was du diesem Marsbewohner eigentlich gesagt hättest.«
Carter entgegnete mit bitterer, gepreßter Stimme: »Spielt das eine Rolle?«
»O ja. Im günstigsten Fall hättest du ihn erschreckt. Wenn wir mit den Marsbewohnern Kontakt aufnehmen, dann tun wir das genau so, wie wir es geplant haben.«
Carter biß die Zähne knirschend zusammen. Auch ohne den Zwischenfall mit Lew Harness’ Tod konnte man nicht sagen, wie lange es dauern würde, den Übersetzungsplan durchzuführen. Er umfaßte drei Stufen: Zuerst sollten Bilder von den Brunneninschriften zur Erde gesandt werden, damit sie mit Hilfe der Computer entziffert wurden; dann sollten Botschaften in dieser Sprache
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