Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
untersuchte die primitiven Satelliten der Gw’oth – die deutlich erkennbar waren, jetzt, wo er wusste, wonach er Ausschau zu halten hatte –, und zugleich suchte er die Oberfläche nach möglichen Startpunkten für die Trägerraketen ab. Omar half Nessus bei der Analyse des übersetzten Archivmaterials, das kontinuierlich von Hearth übertragen wurde. Gemäß dem Ausschlussverfahren war es damit an Kirsten, die zahlreichen Gw’oth-Kameras zu untersuchen. Sie wünschte nur, diese Aufgabe würde zu nützlicheren Ergebnissen führen. »Ich habe mehrere Positionen für ständige Überwachung markiert. Wie ist es mit deiner Analyse?«
»Die Kleinen da unten geben mir wirklich das Gefühl, entsetzlich dumm zu sein. Ich bin nur froh, dass wir denen so weit voraus sind und die Flotte dieses System bald passiert haben wird.«
›Die Kleinen‹: Omars bevorzugter Spitzname ließ zumindest auf einen gewissen Fortschritt schließen. Eine medizinische Datenbank hatte ihnen typische Gw’oth-Körpermaße – in deren eigenen Maßeinheiten – geliefert. Eine Physik-Datenbank hatte es der Mannschaft dann ermöglicht, die Verhältnisse zwischen diesen Längeneinheiten und den Hyperfeinstrukturübergängen des Wasserstoffs zu ermitteln. Ein durchschnittlicher Gw’o war demnach kaum länger als Kirstens Arm; an seiner breitesten Stelle entsprach die Dicke des Torsos dieser Aliens in etwa einer Handlänge. »Halt mich auf dem Laufenden, Omar! Ich sag dir Bescheid, wenn es hier irgendetwas Interessantes zu berichten gibt.«
Das nächste Piep-Piep übertönte das, was Omar ihr zum Abschied noch zurief. Dass Kirsten anschließend Schritte hörte, verriet ihr, dass er nicht mit einer Antwort gerechnet hatte.
In den medizinischen Datenbanken fanden sich noch deutlich größere Überraschungen als nur die erstaunlich geringe Körperlänge der Gw’oth: Jede der fünf muskulösen Röhren war praktisch ein eigenständiges Lebewesen. Wissenschaftler der Gw’oth glaubten, ein entfernter Vorfahr ihrer Spezies habe eine Art primitive Kolonie dargestellt. Omar, der von allen Mannschaftsmitgliedern an Bord noch am ehesten Biologe war, vermutete, dass sie damit durchaus recht haben könnten. Natürlich würde es Genom-Datenbanken erfordern, um diese Theorie zu stützen oder zu widerlegen, und bislang hatte man auf Eiswelt nichts dergleichen entdeckt. Die Wissenschaft der Gw’oth schien sich noch nicht allzu weit in die Genetik hineingewagt zu haben.
Die nächste Kamera zeigte einen einzelnen Gw’o: Er bediente ein Gerät, dessen Funktion Kirsten weder erkennen noch erahnen konnte. Was auch immer es sein mochte, das kleine Wesen setzte vier seiner Extremitäten ein, um es zu bedienen. Da er keine Kommentar-Tonspur besaß, konnte auch der Translator das Gerät nicht identifizieren. »Scan pausieren.« Eine Zeit lang schaute Kirsten nur zu, doch auch längeres Warten brachte sie hier nicht weiter. »Diesen Kanal weiterhin aufzeichnen. Kopie an Eric weiterleiten.« Nachdem Kirsten das Bildmaterial noch ein wenig länger angestarrt hatte, sagte sie schließlich: »Scan fortsetzen.«
Piep. Ein leerer Korridor. Piep. Ein ganzer Haufen Gw’oth, die sich umeinander schlängelten: eine Orgie. Kirsten wandte den Blick ab, bis ein Geräusch ihr anzeigte, dass die Szenerie erneut gewechselt hatte. Piep Piep. Eine riesige Fläche mit Unterwasserpflanzen – vielleicht eine Farm. Piep …
Kirsten stand auf und streckte sich. Die ›Kleinen‹ bewahren ihre Geheimnisse gut, dachte sie. Dann schoss ihr durch den Kopf: Wieso interessiert es mich überhaupt, dass die kleiner sind als ich? Piepend zogen mehrere weitere uninteressante Szenen über den Bildschirm, dann war Kirsten klar: dass wir die so nennen, ist ein Selbstschutzmechanismus. Omar ist nicht der Einzige, dem sie das Gefühl geben, nur sehr, sehr langsam zu denken.
»Pause.« Vielleicht lohnte es sich, diesen Gedanken weiterzuverfolgen. Es war ja nicht nur so, dass diese große Kreativität der Gw’oth Eric und Omar schockierte – und Kirsten ebenfalls. Tatsächlich hatten die Kolonisten nur wenig Erfahrung darin, Technologie völlig eigenständig zu entwickeln. Wissenschaft und Technik waren Dinge, die ihnen ihre Schirmherren nur sparsam zuteilten. Was auch immer Kirsten zuvor gelernt haben mochte, sie war sich sehr wohl bewusst, dass es nur ein kleiner Teil des Wissens der Bürger war. Nein, was ihr hier wirklich die Augen öffnete, war, dass die Geschwindigkeit, mit der die Gw’oth
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