Ringwelt 12: Weltenwandler
Sie alle trugen die grauschwarzen Schärpen der Sicherheitskräfte des Außenministeriums, und ihre Gesichter verrieten den leichten Wahnsinn, der jeden Leibwächter und jeden Schläger auszeichnete. Neues Stimmengewirr erhob sich, dieses Mal verriet es reine Verwirrung.
Eine der Fremden hatte Baedeker entdeckt. »Kommen Sie mit«, sagte er nur.
KAPITEL 59
Ist es wirklich möglich, dass Nessus mich gerettet hat? Hat er sich etwa mit Beowulf zusammengetan? Sigmund kam nicht mehr dazu, sämtliche Möglichkeiten zu durchdenken.
»Zurücktreten!«, wies ihn eine strenge Stimme an. Ein weiterer Mann – nein, zwei! – traten aus dem Wald heraus. Sie trugen Tarn-Overalls, die ähnlich geschnitten waren wie der von Eric.
Sigmund erstarrte. Warum hörte er es denn nicht, wenn andere sich näherten? Vielleicht war er ja durch seine Gedanken, die sich immer weiter überschlugen, etwas abgelenkt – aber eigentlich glaubte er das nicht.
»Wir wollen Ihnen nichts Böses«, sagte einer der Neuankömmlinge. »Und jetzt treten Sie von Eric zurück!« Der Mann, der Sigmund hier ansprach, war hochgewachsen und drahtig, und er hatte auffallende Hängeschultern. Unter seinem dichten, ungepflegten Haar wirkten seine Gesichtszüge erschreckend abgehärmt; er sprach mit ruhigem Selbstbewusstsein.
Der zweite Neuankömmling wäre vermutlich ebenso hochgewachsen gewesen, doch er ging sehr krumm: Er wirkte sanft und ein wenig professoral. Sein Haar war bunt gefärbt und zu Zöpfen geflochten, fast wie bei einem Puppenspieler. Keiner der beiden trug erkennbare Waffen bei sich.
Angehörige der ARM wurden ausgiebig in waffenlosem Kampf ausgebildet. Wenn diese beiden wirklich unbewaffnet waren, dann, so vermutete Sigmund, würde er sie beide besiegen können. Und dann? Sollte er, einen nach dem anderen, gegen jeden Bewohner dieser ganzen Welt kämpfen? Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Er hatte Eric aus reiner Panik heraus angegriffen. Sigmund wich drei Schritte zurück und setzte sich auf einen Felsbrocken; die Hände legte er, die Handflächen nach oben gedreht, auf die Oberschenkel. Das Gras kitzelte seine immer noch nackten Füße.
Der Mann mit dem Auftreten eines Akademikers schlurfte zum Baum hinüber, um Eric zu befreien. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er den Bademantel-Gürtel, dann rang er unschlüssig die Hände.
Sein Begleiter lächelte. »Ich danke Ihnen, Sigmund. Ihre Kooperation vereinfacht das alles hier. Mein Name ist Omar Tanaka-Singh. Bitte nennen Sie mich einfach Omar. Mein Freund hier, den Ihr Knoten anscheinend vor eine schwierige Aufgabe stellt, ist Sven Hebert-Draskovics. Sven, jetzt schneid das Ding doch einfach auf!«
Sigmund schlug eine Seite seines Bademantels zurück. »Oder gestatten Sie mir, ihn aufzuknoten. Ich hätte meinen Gürtel wirklich gerne zurück.«
Omar lachte leise. »Sie werden schon bald richtige Kleidung erhalten. Nessus hat gesagt, der Bademantel auf dem Autodoc würde es Ihnen etwas vereinfachen, sich an die Lage zu gewöhnen.«
Eric war jetzt wieder frei, nun stampfte er mit den Füßen auf und massierte sich die Handgelenke, um die Durchblutung anzuregen. Dann hielt er kurz inne und warf Sigmund seinen eigenen Gürtel zu. »Nehmen Sie den hier.«
Plötzlich bemerkte Sigmund, dass er keinen Schatten warf. Gleiches galt für Omar. Eric und Sven, die näher an den Bäumen standen und damit nicht in einer Linie zu der Sonnen-Reihe, hatten jeweils gleich mehrere Schatten. Sigmund spürte, wie sich ihm die Brust zusammenschnürte; er wagte es nicht, zu den Feuerbällen aufzublicken, die hoch am Himmel standen. »Ich möchte wissen, wie ich hier hergekommen bin. Ich möchte mit Nessus sprechen.«
»Und er mit Ihnen. Was allerdings die Frage betrifft, wie Sie hier hergekommen sind …« Omar zuckte mit den Schultern. »Das weiß nur Nessus. Er wollte auch anwesend sein, wenn der Autodoc mit Ihnen fertig wäre. Er dachte, es wäre für Sie vielleicht hilfreich, auch ein paar bekannte Gesichter zu sehen. Aber irgendwo anders muss etwas passiert sein, was keinen Aufschub duldet.« Unruhig schälte Omar die Borke von einem abgebrochenen Ast.
Wieso war Omar nervös?
»Falls das irgendwie von Bedeutung ist, Sigmund, möchte ich für den Schock um Entschuldigung bitten, den Ihnen diese Situation versetzen muss. Irgendwo mussten wir Sie ja aufwecken. Wir hatten gedacht, zumindest bei Nacht müsste dieser Wald für sie … etwas normaler wirken. Nessus war der Ansicht, für
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