Ringwelt
etwas schwerer und sackt nach unten. Die schwere Luft bildet das untere Lid des Auges, die Luft von spinwärts das obere Augenlid. So entsteht ein Wirbeleffekt. Die Sturmachse selbst steht auf dieser Welt waagrecht, während sie auf einem natürlichen Planeten senkrecht stehen würde.«
»Eine einfache Begründung, doch die optische Wirkung ist gewaltig!«
»Auch die mechanische Wirkung dieses Sturmes ist gewaltig. Nichts kann diesen Sturm abstellen oder mildern. Vielleicht hält er schon seit Jahrtausenden an.«
»Vielleicht«, wiederholte Louis zerstreut.
Louis starrte auf das Auge, das von schwarzen und weißen Wolken gesäumt wurde. Wieder drang die Stimme des Puppetiers in sein Bewußtsein: »Der Sturm läßt nur noch ein Problem unbeantwortet. Warum verschwindet die Luft im Zentrum des Auges? Wohin fließt sie ab?«
»Vielleicht in eine automatische Pumpenanlage!«
»Das glaube ich nicht, Louis. Diese Luftbewegung ist nicht geplant!«
»So?«
»Wir haben so viele Stellen gesehen, wo der Wind den Boden bis auf das Fundament abgetragen hat. Diese Erosion war von den Baumeistern dieser Welt bestimmt nicht beabsichtigt. Und die Landschaftsverwüstungen häufen sich, je näher wir an diesen Orkan herankommen. Das Sturmauge hat den Wetterhaushalt böse durcheinandergebracht, Louis. Auf einer Fläche, die viel größer ist als Ihre Erde, Louis, stimmt seit Jahrtausenden das Wetter nicht mehr.«
»Der Wind trägt hier Steine und Erde ab, verdüstert den Himmel und -Teufel!« Louis pfiff leise durch die Zähne. »Jetzt begreife ich! Im Mittelpunkt des Sturmes muß ein Meteor ein Leck in das Fundament der Ringwelt gebohrt haben!«
»Richtig. Sie begreifen wohl, was das bedeutet. Es gibt also doch ein Mittel, um den Werkstoff der Ringwelt zu zerstören.«
»Aber nicht die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, Nessus!«
»Mag sein. Trotzdem müssen wir feststellen, ob dort ein Leck im Fundament vorhanden ist.«
Die logische, leidenschaftliche Analyse dieser Naturerscheinung hatte sich beruhigend auf Louis Wu ausgewirkt. Er blickte jetzt furchtlos in das Auge des Sturmes. »Ist es gefährlich, durch die Pupille des Sturmes zu fliegen?«
»Keineswegs, Louis. Dort ist die Luft still und rein wie in einem relativen Vakuum.«
»Okay. Ich gebe den anderen Bescheid. Wir werden alle durch das Auge des Sturmes fliegen!«
Es war Louis, als fiele er in das Auge Gottes hinein.
Der optische Effekt war überwältigend, ha, geradezu entsetzlich. Sie flogen in einen schwarzen Korridor, der von Blitzen erhellt wurde. Die Blitze zuckten ununterbrochen - vor ihnen, hinter ihnen und auf allen Seiten. Um sie herum war die Luft kristallklar. Doch dahinter brodelten schwarze Wolkenmassen mit unvorstellbarer Geschwindigkeit.
»Der Pflanzenfresser hatte recht!« donnerte die Stimme des Kzin aus dem Lautsprecher der Bordanlage. »Das ist nur ein ganz gewöhnlicher Sturm!«
»Er war der einzige von uns, der beim Anblick dieses Auges die Ruhe bewahrte. Ich glaube, die Puppetiers sind nicht abergläubisch!« schrie Louis Wu zurück.
»Ich sehe etwas vor uns!« rief Teela.
Louis blickte in die angegebene Richtung. Er sah eine Beule im Fundament der Ringwelt. Louis grinste schief und legte die Hände auf den Steuerknüppel. Über dieser Beule mußte ein unglaublicher Sog herrschen. Doch Louis war lange nicht mehr so konzentriert und vorsichtig wie beim Einfädeln in das Sturmauge. Was konnte hier schon passieren, wenn selbst der Puppetier dieses Abenteuer für harmlos hielt?
Wolken und Blitze brodelten um sie herum, je näher sie dem Leck im Boden der Ringwelt kamen.
Sie bremsten und schwebten über dem Loch in der Ringwand. Die Motoren der Flugräder kämpften gegen den Sog an. Trotz der Schalltaschen hörten sie das rasende Heulen des Sturmes. Louis blickte hinunter in einen Trichter, der sich wie rasend drehte. Zweifellos floß die Luft durch diesen Trichter ab; aber ob sie hier nur mit hoher Geschwindigkeit abgesaugt wurde oder in das Vakuum des Alls versickerte, ließ sich nicht ausmachen.
Louis wußte auch nicht, wo Teela mit ihrem Flugrad schwebte. Sie war zu weit von ihm entfernt, und die flackernden Blitze blendeten ihn dauernd. Er sah einen kleinen schwarzen Punkt in dem Trichter verschwinden, dachte sich aber nichts weiter dabei, bis er Teelas Schrei hörte.
Er sah Teelas Gesicht auf dem Bildschirm. Sie starrte nach unten, und ihr Gesicht schien vor Schreck versteinert zu sein.
»Was ist denn los?« rief Louis.
Er
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