Ringwelt
Teela bildete die Nachhut. Am Berg über der Wüste hing ein grauer Faden wie ein verstaubtes Spinngewebe.
»Sind Sie wach, Louis?« flötete der Puppetier.
»Guten Morgen, Nessus. Haben Sie die ganze Nacht über den Piloten gespielt?«
»Vor ein paar Stunden trat ich das Steuer an den Kzin ab. Sie müssen doch bemerkt haben, daß wir bereits mehr als siebentausend Meilen zurückgelegt haben!«
»Natürlich.« Was sagte ihm schon diese Zahl. Auf jeden Fall war das nur ein Bruchteil der Strecke, die sie noch zurücklegen mußten. Das Gefühl für Entfernungen - oder das Staunen darüber - war ihm als Erdenbürger, der sich an das Netz von Reisekabinen von Kindheit an gewöhnt hatte, vollkommen verlorengegangen.
»Schauen Sie mal hinter sich«, forderte er den Puppetier auf. »Sehen Sie diesen schmutzigen Kondensfaden? Was mag das sein?«
»Der stammt sicher noch von unserer Meteoriten-Landung. Dabei haben wir Sand und andere Mineralien verdampft. Das Zeug kondensierte in großer Höhe wieder und braucht nun seine Zeit, sich auf der Planetenoberfläche niederzuschlagen.«
»Ich hatte eher an Sandstürme gedacht . Verdammt weite Schlittentour, wenn man diesen Streifen betrachtet. Muß ein paar tausend Meilen lang sein, wenn man überlegt, wie lange wir bereits geflogen sind.«
Der Himmel und die Erde glichen zwei unendlich breiten Glasplatten, dachte Louis, die man aufeinandergepreßt hatte. Und die Menschen glichen Mikroben, die zwischen diesen Platten hin und her krochen .
»Unser Luftdruck hat zugenommen!«
Louis wendete den Blick wieder vom Fluchtpunkt ab. »Was haben Sie gesagt?«
»Schauen Sie mal auf Ihren Druckmesser. Wir müssen uns mindestens zwei Meilen über unserer augenblicklichen Flughöhe befunden haben, als wir landeten.«
Louis wählte sich eine Ration Kompaktnahrung zum Frühstück. »Ist der Luftdruck denn so wichtig?« fragte er kauend.
»In einer unbekannten Umgebung muß man auf alles achten. Das kleinste Detail kann von entscheidender Bedeutung sein. Zum Beispiel ist der Berg, den wir als markanten Orientierungspunkt gewählt haben, viel größer, als wir ursprünglich angenommen hatten. Und was halten Sie von diesem silberglänzenden Punkt auf unserer Kurslinie?«
»Wo?«
»Fast außerhalb des Gesichtsfeldes, Louis - am gedachten Horizont!«
Louis entdeckte den Punkt, den Nessus ihm angedeutet hatte. Das war ein helles Blinken, sah wie eine Spiegelung aus.
»Reflektiertes Sonnenlicht!« rief Louis. »Vielleicht eine Stadt aus Glas?«
»Unmöglich.«
Louis grinste. »Auf jeden Fall muß es so groß sein wie eine Stadt aus Glas. Ein Riesenteleskop.«
»Dann ist es bestimmt längst außer Betrieb!«
»Warum?«
»Wir wissen bereits aus einigen Anzeichen, daß diese Zivilisation in die Barbarei zurückgefallen ist. Wie hätten sonst so öde Wüstengebiete entstehen können?«
»Die Ringwelt ist größer, als wir ursprünglich annahmen. Hier ist Platz für viele Kulturen - für primitive Wilde und hochentwickelte, dekadente Wesen.«
»Eine Zivilisation breitet sich immer aus, Louis.«
»Zugegeben .«
Dieser Spiegeleffekt würde sich schon noch enträtseln lassen, dachte Louis, er lag ja auf ihrem Kurs. Im Augenblick hatte er andere Sorgen. In diesem Flugzeug gab es nicht mal einen Zapfhahn für einen heißen Kaffee.
Louis lutschte an seinem letzten Frühstücksriegel, als zwei grüne Lichter an seinem Armaturenbrett aufleuchteten. Er runzelte die Stirn, bis ihm wieder einfiel, daß er am vergangenen Abend Teela und den Kzin aus der Konferenzschaltung geworfen hatte. Er tastete die beiden wieder ein.
»Guten Morgen«, fauchte der Kzin. »Haben Sie die Dämmerung genossen, Louis? Ein erhebender Anblick!«
»Ich habe sie genossen. Guten Morgen, Teela!«
Teela gab keine Antwort.
Louis beugte sich über den Kontrollschirm. Teela war fasziniert, entrückt, als habe sie ihr Nirwana bereits erreicht.
»Nessus, haben Sie vielleicht Ihren Tasp an meinem Mädchen ausprobiert?« knurrte Louis.
»Aber, Louis, weshalb sollte ich denn das tun!«
»Wie lange ist sie schon in diesem Zustand?«
»In welchem Zustand?« fragte jetzt der Kzin. »Sie war in der letzten Zeit nicht sehr gesprächig, wenn Sie das meinen, Louis.«
»Betrachten Sie doch mal ihr Gesicht, Dolmetscher!«
Teelas Blick war in die Unendlichkeit gerichtet. Sie schien vollkommen gelöst, vollkommen glücklich zu sein.
»Ihr scheint es nicht schlecht zu gehen«, fauchte der Kzin.
»Selbstverständlich kenne ich
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