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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hollow Skai
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davon, dass sich die Fans in der viel zu großen und unwirtlichen Halle verloren, schien auch bei den Scherben die Luft raus zu sein. Immer häufiger kamen sie sich vor wie eine rollende politische Musicbox, und als sie bei einem Auftritt in Schwäbisch Hall einander anguckten, sah ein jeder in den Augen des anderen nur »Leere, Leere, Leere«. Mitten im Song Schritt für Schritt ins Paradies hörten sie auf zu spielen, und Rio sprach zum Publikum: »Wir können nicht mehr. Es tut uns wirklich Leid, Leute, aber – sorry!«
    Ton Steine Scherben lösten sich auf, traten dann aber doch noch einmal auf – am 1. Mai auf dem Kreuzberger Mariannenplatz, der mittlerweile bundesweit ein Begriff war. Als Los Tejoferros verkleidet, in weißen Hosen und Hemden, bunten Westen und mit Sombreros auf den Köpfen, spielten sie Latino-Hits wie Guantanamera oder La Bamba .
    Für kurze Zeit versuchte Rio sich als »Hilfssozialarbeiter« im Kinderhort Kreuzberg-Nord, wo er sich nachmittags um »die Großen« kümmerte – bis beschlossen wurde, dass der Hort künftig nur noch »den Kleinen« zur Verfügung stand. Um Abstand zu gewinnen, fuhr er nach Irland, nach seiner Rückkehr fand er jedoch ein Angebot des Rotbuch Verlages vor, das er nicht ablehnen konnte: Die Scherben sollten für 4000 Mark Vorschuss die Musik zu einem Kinderstück schreiben, das von Hoffmanns Comic Teater sehr erfolgreich in den Trabantensiedlungen der Berliner Gropiusstadt und des Märkischen Viertels aufgeführt worden war und an den Erfolg des Aufklärungsstücks Darüber spricht man nicht der Theatergruppe Rote Grütze anschließen sollte.
    Lanrue und Rio besaßen zu der Zeit schon reichlich Erfahrung, was Theatermusik betraf. Schließlich hatte Rio ja nicht nur die legendäre Beat-Oper komponiert, beide hatten auch für Hoffmanns Comic Teater und die Roten Steine die Songs geschrieben und im vergangenen Herbst im Frankfurter Theater am Turm ein Stück von Peter Hacks, Moritz Tassow , vertont – was das Ensemble-Mitglied Hannes Eyber nachhaltig beeindruckte: »Wir Schauspieler waren es ja gewohnt, wochenlang unsere Rollen einzustudieren – und da kamen jetzt zwei und haben innerhalb kürzester Zeit« – einer Stunde – »diese Hacks-Lieder vertont. Es war unglaublich!«
    Gemeinsam mit Peter Möbius, der seine Stimme dem Kater Raimund lieh, Peters Frau Sybille, Bruder Gert, Dietmar Roberg, Nikel Pallat und vielen anderen, die während der Aufnahmen mehr oder weniger zufällig reinschneiten, produzierten sie die Kinderplatte Herr Fresssack und die Bremer Stadtmusikanten . Das Stück endete mit der Schlacht am Igelberg , bei der der böse Zauberer Fresssack, ein Kapitalist wie aus dem Bilderbuch (!), der von Rio verkörpert wurde, mit vereinten Kräften vertrieben wurde. Der ganze Charme dieser Platte entfaltete sich allerdings erst nach Rios Tod, als sie auf CD wieder veröffentlicht wurde und man den Text erstmals auch ohne Hörrohr verstehen konnte.
    Etwas anderes als den Tod finden wir überall – dieses Credo der Bremer Stadtmusikanten machte sich Rio auch künftig zu Eigen. Für die Struwwelpeter Revue und den Feuerzirkus von Hoffmanns Comic Teater, die im Dortmunder Theater am Ostwall aufgeführt wurden, schrieb er die Theatermusiken. Und für das Frankfurter TAT produzierte er, gemeinsam mit Lanrue, die Musik zu Dietmar Robergs Aufführung von Martha, die letzte Wandertaube .
    Rainer Werner Fassbinder, »der immer große Stücke darauf hielt, den neuesten Jugendjargon zu sprechen«, war diesbezüglich von Rio einmal vor versammelter Mannschaft vorgeführt worden: »Das ist doch schon längst out!« Als er nun am TAT Intendant wurde, schrieb Rio für Peter Möbius’ Frankfurt-Revue Der Todessprung aus dem Kellerfenster die Musik. Das Stück wurde allerdings, zum Entsetzen des gesamten Ensembles, zwei Wochen vor der Premiere von Fassbinder persönlich wieder abgesetzt.
    Mittlerweile hatten sich aber auch Ton Steine Scherben wieder vereinigt. In einer Zeitschrift der Berliner Musiker-Initiative hatte Nikel eine Anzeige entdeckt: »Schlagzeuger zwischen Zen und Mao sucht Anschluss an Band.« Der Inserent Klaus Götzner stammte aus Würzburg und hatte bereits bei Jazz-Rock-Gruppen wie Embryo und Missus Beastly getrommelt, was in Rios Augen nicht unbedingt als Reverenz galt, »weil da schon wieder zu viel ›Zen‹ drin war«. Außerdem hatte er auf seine Frage, welchen Schlagzeuger, mit dem Jimi Hendrix gespielt hatte, er besser fände, Mitch Mitchell

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