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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hollow Skai
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einem Café unterm Fernsehturm am Alex getroffen. Rainer Börner, der ihn anderthalb Jahre zuvor in die Werner-Seelenbinder-Halle geholt hatte und mit Lutz Kerschowski im selben Haus wohnte, saß mittlerweile für die PDS mit am runden Tisch und hatte den Kontakt hergestellt. Nachdem sie sich kurz beschnüffelt und etwas Smalltalk betrieben hatten, bestellte Rio einen Irish Coffee, der ihn völlig aus der Fassung brachte. Statt Whisky hatte man ihn mit einem Weinbrand zubereitet, den Rio nicht vertrug, so dass er Gysi versehentlich ein Kännchen Kaffee über den Anzug schüttete, bevor er am Tisch einschlief.
    Mit seiner Mitgliedschaft wollte er seinen Westkollegen »ein Zeichen setzen«, in deren Köpfen noch immer »das primitive Bild von der DDR« spuke, »das ihnen 40 Jahre eingehämmert wurde«, und die sich nicht dafür interessierten, »was da plattgemacht wurde«. Die hätten zur Zeit des Anschlusses, empörte er sich noch 1996 im ehemaligen SED-Zentralorgan Neues Deutschland , »das Gewitter der Vereinigung hingenommen und nicht nachgedacht«, dass Reisefreiheit Geld voraussetze.
    Anfang der siebziger Jahre hatte er sich geschworen, sich nie wieder vereinnahmen zu lassen, und jahrelang hatte er sich geweigert, den Scherben-Song Allein machen sie dich ein zu singen. Mit seinem Beitritt wollte er nun aber der Auffassung widersprechen, im Westen sei »ALLES richtig, im Osten ALLES falsch gelaufen«.
    Weil er darüber verärgert war, dass die PDS-Bonzen mit ihm umsprangen wie mit jedem x-beliebigen Mucker und ihn nicht als politisch denkenden Künstler behandelten, als er merkte, dass die auch in der PDS nicht gefragt waren, sagte er seine bereits fest vereinbarten Auftritte im Bundestagswahlkampf 1990 dann aber kurzfristig ab. Mit seinen Eltern begab er sich auf eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer, die er ihnen zur goldenen Hochzeit geschenkt hatte. Börner, als Präsidiumsmitglied verantwortlich für Bündnisfragen, bevor er 1991 aus der PDS austrat, weil er sie nicht für reformierbar hielt und im Präsidium auch noch dafür getadelt wurde, dass er sich in der Volkskammer als IM geoutet hatte, flog daraufhin nach Sizilien. In Catania fing er Rio ab, als der gerade die »Eugenio Costa« verließ, um mit Mutter Erika eine Stadtrundfahrt zu machen. Er konnte ihn überreden, seine Zusagen einzuhalten und im Wahlkampf wie geplant aufzutreten – sowohl mit Band als auch solo am Flügel.
    Am 11.11.1990 um 11.11 Uhr, dem Beginn der Karnevalszeit, überreichte Gysi ihm im völlig überfüllten Bonner Brückenforum den rosa Parteiausweis, und Rio setzte Gysi im Gegenzug ein Pappkrönchen auf. Im Neuen Deutschland begründete er drei Tage später seinen Parteibeitritt damit, dass man »den kleinen Gysi« doch jetzt nicht alleine lassen könne. Bislang sei er noch nie »auf die Schnapsidee« gekommen, sich einer Partei anzuschließen, und er sei auch nie ein Freund der SED oder der DKP gewesen, »weil die mir einfach zu dröge waren«. Deutschland brauche allerdings »eine echte linke Partei«, wie es sie in Italien, Spanien, Frankreich oder Portugal längst gebe, als »Korrektiv zu den etablierten konservativen, bürgerlichen Parteien«. Schließlich bringe sie ein, »was an der DDR wichtig und gut war«. Selbst der Skandal um die Geldtransaktionen des einstigen SED-Vermögens hielt ihn nicht davon ab: »Eine Partei, die zu dumm ist, 100 Millionen zu verschieben, ist schon wieder sympathisch und nicht kriminell.«

28 Zwischen Null und Zero
    Nachdem er mit einer zusammengewürfelten Live-Band die CD Durch die Wand aufgenommen hatte, herrschte allgemein Ratlosigkeit. Rios viertes Solo-Album war erneut von Udo Arndt produziert worden, dem der Ruf vorauseilte, lieber mit Studiomusikern als mit echten Bands zu arbeiten, und enthielt lediglich einen hervorragenden Song, Jetzt schlägt’s dreizehn , und der stammte aus dem Jahr 1981. Im Musikexpress wurde Rio gelobt, weil er sich nicht damit begnügt habe, die »Stones oder Springsteen nachzuvertonen«. Von Günther Jauch wurde sein Auftritt beim Supertreff im ZDF aber mit den Worten angekündigt, früher hätten die Mädels Rio Reiser aufgelegt, wenn sie sich »von einem getrennt haben«.
    Im Hause Sony wusste man jedenfalls nicht so recht, wie man den mittlerweile 41-jährigen Rio vermarkten könnte, und fragte sich, wie viele Fans Rio überhaupt noch habe und wie viele CDs man von dem neuen Album eigentlich brennen solle. Geradezu symptomatisch für die ganze Misere war,

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