Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
erfahren hatten, daß Heloise und Tom schon verheiratet waren. Aber wenigstens dauerte es heute nicht so lange. Bernard sah aus wie ein hoffnungslos deprimierter Schauspieler, der gerade eine Vorstellung hinter sich gebracht hat und sie für miserabel hält. Dafür gab es keinerlei Trost. Er war erschöpft – das hatte Tom gewußt – wie jemand, der sein Äußerstes und Bestes gegeben hat.
    »Gestern nacht«, sagte Chris und nahm den letzten Schluck aus einem Glas Milch, das er zusammen mit dem Wein trank, »da habe ich einen Wagen gesehen, der kam rückwärts aus dem kleinen Waldweg. Muß ungefähr ein Uhr gewesen sein. Hatte aber wohl nichts weiter auf sich. Er hatte nur ganz wenig Licht an – als ob er nicht gesehen werden wollte.«
    »Na ja, vermutlich ein Liebespaar«, sagte Tom. Ob Bernard hierauf reagieren würde, und wie? Aber Bernard hatte offenbar gar nichts gehört. Er bat jetzt um Entschuldigung, erhob sich und ging hinaus.
    »Zu dumm, daß es ihm so schlecht geht«, sagte Chris, als Bernard außer Hörweite war. »Ich werde jetzt lieber gleich gehen. Hoffentlich bin ich nicht schon zu lange geblieben.«
    Tom wollte die Nachmittagszüge nachsehen, aber Chris hatte einen neuen Plan. Er wollte per Anhalter nach Paris fahren und war von dieser Idee nicht mehr abzubringen. Das war doch mal ein Abenteuer, fand er. Die Alternative, das wußte Tom, war ein Zug kurz vor fünf. Chris kam mit seinen Koffern herunter und trat in die Küche, um sich von Mme. Annette zu verabschieden.
    Sie gingen hinaus in die Garage.
»Bitte grüßen Sie Bernard noch von mir, ja?« bat Chris. »Seine Tür war zu – er wollte wohl nicht gestört werden, aber ich möchte nicht, daß er mich für unhöflich hält.«
Tom versicherte ihm, er werde das regeln. Er holte den Alfa Romeo aus der Garage, und sie fuhren los.
»Sie können mich irgendwo absetzen, egal wo«, sagte Chris.
Am besten war es wohl in Fontainebleau, meinte Tom, beim Denkmal an der Ausfallstraße nach Paris. Chris sah genauso aus, wie er in Wirklichkeit war: groß und frisch, ein junger Amerikaner auf Europa-Urlaub, weder arm noch reich. Tom war überzeugt, er werde sehr schnell einen Lift nach Paris bekommen.
»Soll ich Sie in ein paar Tagen mal anrufen?« fragte Chris. »Mich interessiert es natürlich, wie die Sache jetzt weitergeht. Ich werd mir auch die Zeitungen ansehen.«
»Ich kann Sie ja anrufen«, erwiderte Tom. »Wie war noch das Hotel – Louisiane, rue de Seine, nicht wahr?«
»Ja. Und haben Sie sehr herzlichen Dank, Tom. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr es mich gefreut hat, ein Haus in Frankreich von innen kennenzulernen!«
Doch, das konnte er schon ausdrücken. Aber es war ja auch gar nicht nötig, dachte Tom, als er sich jetzt auf den Heimweg machte und schneller fuhr als sonst. Schwere Sorgen bedrückten ihn, obwohl er nicht genau sagen konnte, worum er sich Sorgen machen sollte. Er hatte ein Gefühl der Einsamkeit; die Verbindung mit Jeff und Ed war abgerissen, und sie jetzt wiederaufzunehmen, war nicht ratsam. Am besten war es wohl, wenn er Bernard zum Bleiben bewegen konnte. Vielleicht war das schwierig. Aber wenn Bernard jetzt nach London zurückfuhr, dann lief da immer noch die Derwatt-Ausstellung. Plakate auf den Straßen, er traf vielleicht Jeff und Ed, die sicher selbst auch voller Angst und Sorge waren. Tom stellte den Wagen in die Garage, ging hinauf zu Bernard und klopfte.
Keine Antwort.
Er öffnete die Tür. Das Bett war ebenso gemacht wie morgens, als Bernard drauf gesessen hatte, man sah noch die leicht eingedrückte Stelle. Aber seine Sachen waren alle fort, der Seesack und auch der ungebügelte Anzug, den Tom in den Schrank gehängt hatte. Er warf einen schnellen Blick in sein eigenes Schlafzimmer. Auch dort war Bernard nicht, und nirgends lag ein Brief oder ein Zettel. Mme. Clusot fuhrwerkte in seinem Zimmer mit dem Staubsauger herum, und Tom sagte »Bonjour, Madame« und ging dann nach unten.
»Mme. Annette!«
Sie war nicht in der Küche, sondern in ihrem Schlafzimmer. Tom klopfte an, und als sie etwas rief, trat er ein. Sie lag unter einer lila gestrickten Überdecke auf ihrem Bett und las Marie-Claire.
»Lassen Sie sich bitte nicht stören, Madame«, sagte er. »Ich wollte bloß fragen, wo M. Bernard ist.«
»Ist er nicht in seinem Zimmer? Vielleicht macht er einen Spaziergang.«
Tom hatte keine Lust, ihr mitzuteilen, daß Bernard offenbar seine Sachen mitgenommen und das Haus verlassen hatte. »Er hat nichts gesagt,

Weitere Kostenlose Bücher