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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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meinen Brief nicht bekommen?« Nein, und das war auch nicht möglich, er hatte ihn ja erst Dienstag abgeschickt.
»Mon dieu, was du alles erlebt hast«, sagte Heloise auf Englisch, und in ihrer Stimme war eine Spur von Eifersucht zu hören. »Habe ich dir gefehlt, Tome ?«
Er schlang die Arme um sie. »Ja, du hast mir gefehlt. Sehr.«
Das Mitbringsel für das untere Zimmer, das Heloise jetzt auspackte, war eine Vase, breit und gedrungen, mit zwei Griffen und zwei schwarzen Bullen, die die Köpfe gegeneinander senkten. Sie war recht hübsch, und Tom fragte nicht, ob sie wertvoll oder alt oder sonstwas sei; das war ihm in diesem Augenblick alles egal. Er legte eine Schallplatte auf: Vivaldis Vier Jahreszeiten. Heloise war oben mit Auspacken beschäftigt und wollte dann ein Bad nehmen.
Um halb sieben war Bernard immer noch nicht wieder da. Tom hatte irgendwie das Gefühl, er sei in Paris, nicht in London, aber es war nur ein Gefühl und nichts, auf das er sich verlassen konnte. Er und Heloise aßen zu Hause, und während des Essens schwatzte Mme. Annette mit Heloise und erzählte von dem Engländer, der morgens dagewesen war und sich nach M. Murchison erkundigt hatte. Das alles interessierte Heloise nicht allzu sehr und beunruhigte sie erst recht nicht, das merkte Tom. Sie zeigte mehr Interesse für Bernard.
»Glaubst du, er kommt noch mal wieder? Vielleicht heute abend?«
»Ach – eigentlich glaube ich das jetzt nicht mehr«, sagte Tom.
Donnerstag Morgen kam und ging ruhig und ohne Telefonanrufe, nur Heloise rief ein paar Leute in Paris an, darunter ihren Vater in seinem Pariser Büro. Sie trug jetzt verblichene Leinenhosen und ging barfuß im Hause umher. In Mme. Annettes Parisien stand nichts über Murchison. Als Mme. Annette nachmittags ausgegangen war – sie wollte Besorgungen machen, aber der Hauptzweck war sicher ein Besuch bei Mme. Yvonne, der sie von Heloises Rückkehr und von dem Besuch des Londoner Polizeibeamten erzählen wollte –, lag Tom müde und glücklich mit Heloise auf dem gelben Sofa, den Kopf an ihrer Brust. Geliebt hatten sie sich schon morgens. Erstaunlich eigentlich: es war doch angeblich so etwas Dramatisches, doch für Tom war es weniger wichtig als die Tatsache, daß er am Abend zuvor mit Heloise in den Armen eingeschlafen war. Sie sagte oft: »Mit dir ist es schön zu schlafen – du bist nicht wie ein Erdbeben, wenn du dich nachts umdrehst. Ich merke oft gar nicht, wenn du dich umdrehst!« Das freute Tom. Er hatte sie niemals gefragt, wer die Erdbeben gewesen waren. Heloise existierte einfach. Für Tom war das seltsam: er wußte gar nicht, was sie eigentlich für ihren Lebenszweck hielt. Sie war wie ein Bild an der Wand. Vielleicht, sagte sie manchmal, würde sie eines Tages Kinder haben wollen. Inzwischen existierte sie. Tom konnte zwar auch nicht von sich behaupten, daß er irgendwelche Lebenszwecke habe, jetzt, da er sein heutiges Leben erreicht hatte; aber es trieb ihn doch dazu, sich die Freuden zu sichern, die ihm erreichbar waren, und eben dieser Trieb fehlte offenbar bei Heloise – vielleicht weil sie von Kindheit an immer alles bekommen hatte, was sie sich wünschte. Manchmal überkam ihn ein seltsames Gefühl, wenn er mit ihr schlief, weil er sich so getrennt, so uneins mit ihr fühlte – ihm war, als freue er sich an etwas Leblosem, Unwirklichem, an einem Körper ohne eigenes Ich. Oder war das vielleicht seine eigene Tendenz zum Puritanismus? Vielleicht hatte er insgeheim Angst, sich selbst ganz hinzugeben und zu sagen: »Wenn ich Heloise nicht hätte – wenn ich sie verlöre, könnte ich nicht mehr leben.« Er wußte, er war zu dieser Haltung durchaus fähig, selbst in bezug auf Heloise, aber er gestand es sich nicht gern ein, er wollte es nicht wahrhaben, und zu Heloise hatte er natürlich nie ein Wort davon gesagt, denn wie die Dinge im Augenblick lagen, wäre es nicht die Wahrheit. Eine so völlige Abhängigkeit von ihr war für ihn gegenwärtig nur eine theoretische Möglichkeit. Mit Sex hatte sie nichts zu tun; davon war er nicht eigentlich abhängig. Es war eher – Heloise machte sich zum Beispiel über die gleichen Dinge lustig wie er. Sie war in gewisser Weise ein Partner, wenn auch ein passiver Partner. Mit einem Jungen oder Mann zusammen hätte Tom vielleicht häufiger herzlich gelacht; es mochte sein, daß darin der Hauptunterschied lag. Er entsann sich an ein Gespräch mit Heloises Eltern, bei dem er geäußert hatte: »Bestimmt ist jedes Mitglied der Mafia

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