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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Schenkel gelegt.
»Ich finde das fabelhaft, was Sie da vorgelesen haben«, sagte Chris in das lange Schweigen hinein. Als niemand etwas erwiderte, zog er den Kopf ein und hob ihn dann wieder, wie um seine Ansicht zu vertreten.
»Sind da noch spätere Eintragungen?« fragte Webster. »Wissen Sie, es interessiert mich, was Sie vorgelesen haben, aber –«
»Ja, ein paar«, sagte Bernard und blätterte. »Hier – aber die ist auch sechs Jahre alt. Zum Beispiel: ›Das ewige Nicht-Erreichen ist das einzige, das dem Schaffensakt den Schrecken nimmt.‹ Derwatt hat immer – immer viel Achtung für seine Gaben gehabt. Ich kann das sehr schlecht ausdrücken.«
»Ich denke, ich verstehe Sie«, sagte Webster.
Tom spürte sofort Bernards deutliche, fast persönliche Enttäuschung. Er warf einen Blick auf Mme. Annette, die diskret im Hintergrund – zwischen dem Türbogen und dem Sofa stand.
»Haben Sie in London überhaupt mit Derwatt gesprochen – am Telefon vielleicht?« fragte Webster Bernard.
»Nein«, sagte Bernard.
»Oder mit Banbury oder Constant, während Derwatt dort war?«
»Nein. Ich sehe sie nicht sehr oft.«
Kein Mensch würde denken, daß Bernard log, dachte Tom. Er sah aus wie die Redlichkeit in Person.
»Aber Sie stehen doch gut mit ihnen?« Webster legte den Kopf ein wenig auf die Seite, als wolle er sich für die Frage entschuldigen. »Soviel ich weiß, kannten Sie sie ja vor Jahren, als Derwatt noch in London wohnte?«
»O ja, natürlich. Nur gehe ich nicht viel aus in London.«
»Wissen Sie vielleicht, ob Derwatt Freunde hat«, fuhr Webster mit seiner sanften Stimme, zu Bernard gewandt, fort, »die vielleicht einen Hubschrauber haben oder ein Boot oder mehrere und die ihn nach England gebracht und auch wieder herausgebracht haben könnten wie eine siamesische Katze oder einen Pakistani?«
»Das weiß ich nicht. Ich kenne sie jedenfalls nicht.«
»Noch etwas. Sie haben doch sicher an Derwatt in Mexiko geschrieben, als Sie erfuhren, daß er am Leben war, nicht?«
»Nein, das habe ich nicht.« Bernard schluckte, und der große Adamsapfel sah aus wie in Bedrängnis. »Wie gesagt, ich habe wenig Kontakt mit – mit Jeff und Ed. Und sie kennen auch Derwatts Dorf nicht, das weiß ich, denn die Bilder werden immer in Vera Cruz verschifft. Ich dachte, wenn Derwatt wollte, hätte er mir ja schreiben können. Da er das nicht tat, habe ich ihm auch nicht geschrieben. Ich fand –«
»Ja? Sie fanden –?«
»Ich fand, er hatte genug durchgemacht. Seelisch vor allem. In Griechenland oder auch vorher schon. Ich dachte, das alles hätte ihn verändert und ihn vielleicht sogar innerlich getrennt von seinen früheren Freunden, und wenn er mir nicht schreiben wollte, dann mußte ich das akzeptieren. Das war seine Art, die Dinge anzusehen, zu – zu handhaben.«
Tom war zum Heulen zumute, so sehr fühlte er mit Bernard. Herrgott, Bernard tat das Menschenmögliche, und ihm war dabei so elend wie einem Laien, der auf der Bühne zu spielen versucht und nur den einen Wunsch hat, daß es bald zu Ende sein möge.
Inspektor Webster blickte erst Tom an und dann Bernard. »Merkwürdig – Sie glauben, Derwatt war in –«
»Ich glaube, Derwatt stand alles bis zum Hals«, unterbrach ihn Bernard. »Er hatte genug von den Menschen, als er nach Mexiko ging. Wenn er Einsamkeit wünschte, so wollte ich ihn nicht stören. Ich hätte nach Mexiko fahren und ihn suchen können bis zum Ende aller Tage –ich meine, bis ich ihn gefunden hätte.«
Beinahe glaubte Tom die Worte, die er eben gehört hatte. Er mußte sie glauben, sagte er sich, also begann er sie zu glauben. Er ging hinüber an die Hausbar, um Websters Glas noch einmal zu füllen.
»Hm-m. Ja. Und jetzt – wenn Derwatt wieder zurückgeht nach Mexiko – vielleicht ist er ja schon fort –, dann wissen Sie also auch nicht, wohin Sie ihm schreiben könnten?« fragte Webster.
»Nein, selbstverständlich nicht. Ich weiß nur, daß er malt – und daß er glücklich ist. Das nehme ich an.«
»Und die Leute von der Galerie? Die wissen auch nicht, wo er ist?«
Wieder schüttelte Bernard den Kopf. »Nein, soviel ich weiß, wissen sie es auch nicht.«
»Wo schicken sie das Geld hin, das ihm zusteht?«
»Ich glaube – an eine Bank in Mexico City, die es ihm dann weiterleitet.«
Danke für diese glatte Antwort, dachte Tom, als er sich bückte, um den Dubonnet einzuschenken. Er ließ etwas Platz im Glas für das Eis und holte den Behälter vom Wagen. »Wollen Sie mit uns essen, Inspektor? Ich

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