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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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nein?«
»Nein, M´sieur.«
»Na gut.« Ein etwas mühsames Lächeln erschien auf Toms Gesicht. »Wir brauchen uns wohl keine Sorgen zu machen. Hat jemand angerufen?«
»Nein, M´sieur. Und wie viele haben wir heute abend zum Essen?«
»Ich denke zwei, Mme. Annette. Danke schön.« Bernard war bis dahin wohl zurück, dachte Tom. Er ging hinaus und schloß die Tür.
Herrgott noch mal. Was er jetzt brauchte, waren ein paar beruhigende Goethe-Verse. Der Abschied oder so was: ein bißchen deutsche Gründlichkeit, Goethescher Sinn für Überlegenheit – und vielleicht ein Schuß Genie. Das war jetzt das Richtige. Er zog einen Band mit Goethes Gedichten aus dem Bücherbord und öffnete es – Schicksal oder unbewußte Fügung? – auf der Seite, auf der Der Abschied stand. Er kannte das Gedicht fast auswendig, nur hätte er nie den Mut gehabt, es jemandem aufzusagen, weil er seine Aussprache nicht für einwandfrei hielt. Schon die ersten Zeilen bewegten ihn jetzt:
    Laß mein Aug´ den Abschied sagen Den mein Mund nicht nehmen kann! Schwer, wie schwer ist es zu tragen! Und ich bin – Er fuhr leicht zusammen, als draußen eine Wagentür zuschlug. Jemand war angekommen. Sicher Bernard – er hatte wohl ein Taxi genommen.
    Aber es war Heloise. Da stand sie, ohne Hut, mit langwehendem blondem Haar, und wühlte in ihrem Geldtäschchen.
    Tom stürzte zur Tür und riß sie auf. »Heloise!« »Oh, Tome !«
Sie küßten sich. Oh, Tome ! Oh, Tome ! Die zärtliche und immer noch etwas fremde Aussprache entzückte Tom wie immer.
    »Du bist ganz verbrannt!« sagte Tom auf Englisch; er meinte sonnengebräunt. »Laß, ich bezahl schon. Wieviel ist es?«
    »Hundertvierzig Francs.«
»Hundesohn. Von Orly bis –« Er verschluckte auch im Englischen die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, bezahlte den Fahrer und trug das Gepäck ins Haus, wobei ihm der Fahrer nicht half.
    »Himmlisch, wieder zu Hause zu sein!« sagte Heloise und reckte sich. Ein großer leinenartiger Beutel – ein Mitbringsel aus Griechenland – flog auf das gelbe Sofa. Sie trug braunlederne Sandalen, ausgestellte rosa Hosen und eine verwaschene grünblaue amerikanische Jacke. Wo hatte sie bloß die Jacke her?
    »Alles im Lot. Mme. Annette ruht sich gerade aus in ihrem Zimmer.« Tom war ins Französische übergegangen.
»Oh, was hatte ich für scheußliche Ferien!« Heloise ließ sich auf das Sofa fallen und zündete eine Zigarette an. Sie brauchte jetzt bestimmt mehrere Minuten, bevor sie sich beruhigt hatte; und Tom fing daher an, ihre Sachen nach oben zu tragen. Bei einem Koffer schrie sie auf, weil er etwas enthielt, das unten bleiben sollte; er ließ ihn also stehen und nahm einen anderen.
»Mußt du unbedingt gleich so amerikanisch und so tüchtig sein?«
Was sollte er sonst tun – stehen bleiben und warten, bis sie zur Ruhe kam? »Ja, muß ich.« Er brachte den Rest in ihr Zimmer.
Als er herunterkam, war Mme. Annette im Wohnzimmer und unterhielt sich mit Heloise über Griechenland, die Jacht, das Haus dort (anscheinend in einem kleinen Fischerdorf), aber offenbar noch nicht über Murchison. Mme. Annette hatte Heloise sehr gern, weil sie es liebte, jemanden zu bedienen, und Heloise ließ sich gern bedienen. Sie wollte jetzt gar nichts haben, aber auf Mme. Annettes Drängen gab sie nach und erbat eine Tasse Tee.
Dann fing Heloise an, ihrem Mann von dem Urlaub auf der ›Princesse de Grèce‹ zu erzählen, einer Jacht, die diesem Dummkopf Zeppo gehörte, bei dessen Namen Tom immer an zwei amerikanische Komiker denken mußte. Tom hatte Bilder von ihm gesehen: ein richtiger behaarter Waldaffe, eingebildet wie alle griechischen Tankerkönige, und dabei war er bloß der Sohn eines mittleren Grundstücksmaklers, also ein sehr kleiner Fisch. Der Vater war ein Blutsauger ersten Ranges und wurde – nach den Berichten von Zeppo und Heloise – seinerseits ausgenommen von den faschistischen Offizieren in Griechenland; immerhin aber verdiente er noch so viel Geld, daß sein Sohn auf einer Jacht durch die Ägäis kreuzen, die Fische mit Kaviar füttern und den Swimming-pool an Bord mit Sekt füllen lassen konnte, der dann angewärmt wurde, damit man darin schwimmen konnte. »Zeppo mußte den Sekt verstecken, deshalb ließ er ihn in den Swimming-pool laufen«, erklärte Heloise.
»Und wer ist mit Zeppo ins Bett gestiegen? Hoffentlich doch nicht die Frau des amerikanischen Präsidenten, was?«
»Ach – alle«, sagte Heloise auf Englisch, voller Verachtung, und stieß den Rauch

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