Ripley Under Ground
hing.
Vielleicht war Mme. Annette schon auf? Er ging behutsam die Treppe hinunter bis in den Keller. Bernards Anzug mußte dort weg, bevor die Haushälterin ihn fand. Der Fleck aus Wein und Murchisons Blut war jetzt nicht mehr so auffallend. Wenn ein Experte ihn auf Blut untersuchte, würde er zweifellos Spuren finden; aber Tom war optimistisch und hoffte, dazu werde es nicht kommen.
Das Jackett war an der Hose befestigt; er knöpfte es los. Ein weißer Zettel flatterte zu Boden – eine Nachricht von Bernard in seiner großen spitzen Schrift:
Ich erhänge mich, allegorisch, in Deinem Hause, und zwar erhänge ich Bernard Tufts, nicht Derwatt. Für Derwatt will ich Buße tun auf die einzig mögliche Art: indem ich das Ich umbringe, das ich seit fünf Jahren gewesen bin. Hinfort will ich versuchen, den Rest meines Lebens in ehrlicher Arbeit zuzubringen.
B. T.
Im ersten Moment wollte Tom den Zettel zerknüllen und fortwerfen, doch dann faltete er ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche. Vielleicht brauchte er ihn eines Tages. Wer konnte wissen, wo Bernard jetzt war und was er machte. Er schüttelte den zerdrückten Anzug aus und warf das Tuch in eine Ecke. Der Anzug mußte gereinigt werden; jedenfalls konnte das nicht schaden. Tom wollte ihn mit in sein Schlafzimmer nehmen, ließ ihn aber dann auf dem Tisch in der Diele liegen, wo immer die Sachen deponiert wurden, die Mme. Annette zur Reinigung mitnahm.
»Bonjour, M. Tome «, sagte Mme. Annette aus der Küche. »Sie sind ja schon wieder so früh aufgestanden. Ist Mme. Heloise auch schon auf? Soll ich ihr den Tee bringen?«
Tom trat an die Küchentür. »Nein, ich glaube, sie will heute lange schlafen. Lassen Sie sie nur schlafen, solange sie kann. Aber ich hätte jetzt gern eine Tasse Kaffee, bitte.«
Ja, gern, den werde sie ihm bringen, sagte Mme. Annette. Tom ging nach oben und zog sich an. Er wollte sich die Grabstelle im Wald noch mal ansehen. Wer weiß, vielleicht hatte Bernard irgendwas Komisches angestellt, sie womöglich halb aufgemacht oder so was, vielleicht sogar sich selbst darin begraben.
Als er seinen Kaffee getrunken hatte, ging er nach draußen. Die Sonne schien noch nicht recht klar, es war diesig und das Gras noch naß vom Tau. Tom schlenderte zu den Büschen hinüber; er wollte nicht geradenwegs zu der Grabstelle gehen, falls Heloise oder Mme. Annette aus dem Fenster sahen. Er blickte sich nicht um, er war überzeugt, daß ein Auge das andere anzog.
Die Grabstelle lag noch genauso da, wie er und Bernard sie verlassen hatten.
Heloise erwachte erst nach zehn. Tom war in seiner Werkstatt, als Mme. Annette ihm sagte, daß Heloise ihn gern sprechen würde. Er stieg in ihr Schlafzimmer hinauf, wo sie im Bett saß und ihren morgendlichen Tee trank, zu dem auch eine Grapefruit gehörte. Kauend sagte sie:
»Weißt du, diese Scherze von deinen Freunden, die mag ich nicht.«
»Damit ist jetzt Schluß. Ich habe die Kleidungsstücke aus dem Keller weggenommen. Denk nicht mehr daran. Hast du Lust, irgendwo hübsch zu essen? An der Seine vielleicht, zu Mittag?«
Ja, der Plan gefiel ihr.
Sie fuhren los und fanden ein Restaurant in einer kleinen Stadt, aber nicht an der Seine.
»Wollen wir nicht irgendwohin reisen? Nach Ibiza vielleicht?« fragte Heloise.
Tom zögerte. Liebend gern hätte er eine Schiffsreise gemacht und alles mögliche mitgenommen, Bücher, einen Plattenspieler, Farben und Zeichenblocks. Aber gegenüber Bernard und Jeff und Ed – und auch der Polizei würde das wie eine Flucht aussehen, selbst wenn alle wußten, wohin er fuhr. »Ich werd´s mir überlegen. Ja, vielleicht.«
»Griechenland hat bei mir einen schlechten Geschmack hinterlassen, genau wie der Ouzo«, sagte Heloise.
Tom war nach einem gemütlichen Nachmittagsschläfchen zumute und Heloise ebenfalls. In ihrem Bett, sagte sie, und einfach bis sie wieder aufwachten, oder bis es Zeit zum Abendessen war. Das Telefon in Toms Schlafzimmer würden sie aus der Steckdose ziehen, so daß es nur unten läutete und Mme. Annette den Hörer aufnahm. In solchen Augenblicken, dachte Tom, während er gemächlich durch die Wälder nach Villeperce zurückfuhr, genoß er es besonders, daß er nirgends angestellt war, genügend Geld hatte und verheiratet war.
Auf den Anblick, der sich ihm bot, als er die Haustür aufschloß, war er am allerwenigsten gefaßt. Auf einem der gelben Stühle saß Bernard, das Gesicht zur Tür gewandt.
Heloise sah ihn nicht gleich. Sie sagte: »Tome, chéri, kannst du
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