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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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verschwanden.
Bernard saß im Zimmer und rauchte eine Zigarette.
Aus der Küche hörte man das halblaute Klappern des Mülleimerdeckels. Tom nahm die Taschenlampe vom Tisch in der Diele, ging durch die kleine Toilette nach unten in den Keller und warf einen prüfenden Blick auf den Fußboden hinter dem Weinfaß, wo Murchison gelegen hatte. Zum Glück war kein Blutfleck zu sehen. Er ging wieder nach oben.
»Bernard, du kannst gern heute nacht hierbleiben, aber morgen früh kommen die Polizeibeamten und wollen sich das Haus etwas genauer ansehen.« Und vielleicht auch den Wald, fiel ihm plötzlich ein. »Sie werden dir womöglich Fragen stellen, das kann unangenehm werden. Willst du vorher gehen? Sie kommen um acht.« »Ja, vielleicht. Kann sein.«
Es war jetzt fast zehn Uhr. Mme. Annette erschien und fragte, ob die Herren noch Kaffee wünschten. Beide lehnten ab.
»Ist Mme. Heloise noch ausgefahren?« fragte sie. »Ja – sie ist zu ihren Eltern«, gab Tom zur Antwort. »Aber nein – so spät noch!« Sie stellte das Kaffeegeschirr zusammen.
Tom spürte, daß sie Bernard nicht mochte oder ihm nicht recht traute. Heloise ging es ebenso. Sehr schade, daß Bernards Charakter so im Dunkel blieb; daß er auf die meisten Leute einen so abweisenden Eindruck machte. Es lag auf der Hand, daß weder Heloise noch Mme.
Annette ihn mochten – sie kannten ihn überhaupt nicht und wußten nichts von seiner Verehrung für Derwatt, die sie vermutlich als ›für ihn recht nützlich‹ bezeichnet hätten. Sie kamen beide aus ganz verschiedenen Milieus, und beiden war es ganz unmöglich, Bernard Tufts´ ausschließlich durch sein Talent erreichten Aufstieg aus dem einfachen Arbeitermilieu (laut Jeff und Ed) bis zur wirklichen Größe zu verstehen. Daß er seine Bilder mit fremdem Namen zeichnete, tat der Größe keinen Abbruch. Er machte sich auch gar nichts aus der geldlichen Seite seiner Arbeit, was wiederum Heloise und Mme. Annette völlig unbegreiflich wäre. Mme. Annette verließ eilig das Zimmer – wortlos, aber mit abweisendem Gesicht. »Ich möchte dir was sagen«, begann Bernard. »In der Nacht nach Derwatts Tod – wir hatten es erst vierundzwanzig Stunden später erfahren –, da hatte ich eine Vision. Ich sah Derwatt in meinem Schlafzimmer stehen.
Der Mond schien durchs Fenster. Ich weiß noch, ich hatte eine Verabredung mit Cynthia abgesagt, weil ich allein sein wollte. Ich sah Derwatt dort stehen und fühlte seine Anwesenheit; ich sah sogar, wie er lächelte. Er sagte:
›Bernard, mach dir keine Sorgen, mir geht es nicht schlecht. Ich habe keine Schmerzen.‹ Kannst du dir vorstellen, daß Derwatt so etwas sagt? Und doch habe ich es gehört.«
Seine eigene innere Stimme hatte Bernard gehört.
Aber Tom folgte ihm aufmerksam.
»Ich hab mich im Bett aufgesetzt und ihm vielleicht eine Minute lang zugehört. Weißt du, er schwebte so durch mein Zimmer – ich meine, das Zimmer, wo ich manchmal male und wo ich schlafe.«
Bernard meinte das Zimmer von Tufts, nicht Derwatts. »Er sagte: ›Mach nur weiter, Bernard. Es tut mir nicht leid.‹ Ich nahm an, damit meinte er seinen Selbstmord, der ihm nicht leid tat. Er wollte sagen, ich sollte nur weiterleben. Das heißt« – zum erstenmal, seit er zu sprechen angefangen hatte, sah Bernard Tom jetzt ins Gesicht –, »er meinte wohl, so lange es eben dauerte. Man hat ja keinen Einfluß auf die Dauer, nicht wahr? Das bleibt dem Schicksal überlassen.«
Tom zögerte. »Ach – ich glaube, Derwatt hatte auch Sinn für Humor. Jeff sagt, es sei durchaus möglich, daß ihm deine Nachahmungen gefallen hätten. Weil sie so gut waren.« Na, Gott sei Dank, das schien er zu akzeptieren.
»Bis zu einem gewissen Grade vielleicht. Ja, die Fälschung als Arbeit, als Werkstück hätte ihm vielleicht Spaß gemacht. Aber nicht die geschäftliche Seite. Geld hätte ihn genauso leicht zum Selbstmord treiben können wie Bankrott.«
Bernards Gedankengänge verwirrten sich schon wieder, das merkte Tom, sie gerieten durcheinander und wandten sich gegen ihn. Feindselig. Ob er lieber aufstehen und zu Bett gehen sollte? Würde Bernard das übelnehmen? »Du, die verdammten flics kommen morgen schon so früh – ich glaube, ich gehe jetzt schlafen.« Bernard beugte sich vor. »Du hast mich neulich gar nicht verstanden, als ich sagte, ich hätte versagt. Als der Detektiv aus London hier war und ich versuchte, ihm Derwatt klarzumachen.«
»Ja, aber du hast ja gar nicht versagt. Sieh mal, Chris hat dich doch

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