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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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verstanden. Und Webster sagte, er fände es sehr bewegend, das weiß ich noch.«
»Webster dachte immer noch an die Möglichkeit der Fälschung und daran, daß Derwatt dabei mitmachte. Ich konnte nicht mal Derwatts Wesen und Charakter klar herausbringen. Ich hab´s versucht und nicht gekonnt.« Tom bemühte sich, Bernard wieder einigermaßen ins Gleichgewicht zu bringen. »Webster sucht doch nach Murchison«, sagte er. »Das ist seine Aufgabe – mit Der watt hat er gar nichts zu tun. Ich gehe jetzt rauf.« Er ging in sein Zimmer und zog den Pyjama an. Dann öffnete er oben das Fenster einen Spalt und stieg ins Bett, das Mme. Annette heute abend nicht aufgeschlagen hatte. Ihm war bänglich zumute; ob er die Tür lieber abschließen sollte? War das töricht oder vernünftig? Es sah so nach Feigheit aus. Er schloß nicht ab. Er nahm den Band der English Social History von Trevelyan, in dem er bis zur Mitte gekommen war, legte ihn aber gleich beiseite und nahm statt dessen ›Harraps Wörterbuch‹ zur Hand. To forge – altfranzösisch forge, Schmiede. Faber, der Schmied oder Fälscher. Im Französischen bedeutete forge nur eine Metallwerkstatt. Das französische Wort für Fälschung hieß falsification oder contrefaire. Das wußte er schon. Er schlug das Buch zu.
Eine Stunde lag er wach, er konnte nicht einschlafen.
Alle paar Minuten begann ihm das Blut laut in den Ohren zu singen, so laut, daß er erschrak; und immer wieder fuhr er zusammen, weil er das Gefühl hatte, aus großer Höhe herunterzufallen.
Die Radiumzeiger seiner Armbanduhr zeigten auf halb eins. Ob er Heloise noch anrufen konnte? Er hätte es gern getan, aber er wollte sich nicht noch weiteren Zorn ihres Vaters zuziehen, wenn er so spät anrief. Ach verdammt – immer diese Rücksicht auf andere Leute. Plötzlich hatte ihn jemand an den Schultern gepackt.
Hände griffen nach seiner Kehle. Er stieß mit den Füßen die Decke weg und riß vergeblich an Bernards Armen, um seinen Hals aus der Umklammerung zu befreien; endlich gelang es ihm, die Füße gegen Bernards Körper zu stemmen und ihn wegzustoßen. Die Hände ließen los, und Bernard ließ sich dumpf zu Boden fallen. Er keuchte.
Tom knipste die Nachttischlampe an, die fast herunterfiel. Ein Wasserglas fiel um und ergoß seinen Inhalt auf den blauen Orientteppich.
Bernard atmete mühsam, und auch Tom brauchte Zeit, um sich zu fassen.
»Mein Gott – Bernard«, sagte er.
Bernard brachte kein Wort heraus. Er saß da, auf einen Arm gestützt, in der Stellung des ›Sterbenden Galliers‹. Ob er den Angriff wiederholen wollte, sobald er zu Kräften gekommen war? Tom stand auf und zündete sich eine Gauloise an.
»Was für eine Idiotie, Junge!« Tom brach in Lachen aus und mußte husten. »Du hättest doch nicht die mindeste Chance gehabt. Flucht wäre – Mme. Annette weiß, daß du hier bist, und die Polizei ebenfalls.« Tom beobachtete Bernard, der sich langsam erhob. Sicher geschah es nicht allzuoft, daß ein fast Umgebrachter eine Zigarette rauchte, barfuß im Zimmer umherging und den anlächelte, der ihn eben hatte killen wollen. »Das darfst du nicht noch mal tun.« Er wußte, was er da redete, war Blödsinn. Es war Bernard völlig egal, was mit ihm geschah. »Kannst du nicht irgendwas sagen?«
»Ja. Ich hasse dich. Ich hasse dich. Dies alles ist deine Schuld. Ich hätte nie darauf eingehen dürfen, das stimmt. Aber der Ursprung bist du.«
Ja, das wußte Tom. Ein mystischer Ursprung war er, eine Quelle des Bösen. »Aber wir sind ja alle dabei, die Sache abzuwickeln und nicht weiterzumachen.« »Und ich bin am Ende. Cynthia –«
Tom zog an seiner Zigarette. »Du hast gesagt, manchmal sei dir beim Malen zumute gewesen, als seiest du Derwatt. Bedenke doch nur, was du für seinen Namen getan hast! Er war ja noch keineswegs berühmt, als er starb.«
»Korrumpiert habe ich ihn«, sagte Bernard mit Grabesstimme. Es klang, als käme sie vom Richterstuhl des Jüngsten Gerichts oder geradewegs aus der Hölle. Er ging zur Tür und verließ das Zimmer. Aus seinem Blick sprach mehr Zielbewußtsein als sonst.
Wohin mochte er gehen? Er war immer noch angezogen, und jetzt war es kurz nach drei Uhr morgens. Ob er einfach in der Nacht umhergehen wollte? Oder ob er nach unten ging und das Haus in Brand setzte? Tom verschloß seine Zimmertür von innen. Wenn Bernard zurückkam, mußte er laut klopfen. Natürlich würde Tom ihn einlassen, aber eine kurze Warnung vorher war doch wohl am Platze.
Morgen früh kam die

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