Ripley Under Ground
dieser – dieser Amerikaner verschwunden ist«, gab Tom zur Antwort. »Murchison, du weißt ja.« Heloise erhob sich. »Kann ich dich oben mal sprechen, Tom?«
Tom entschuldigte sich bei Bernard und ging mit ihr nach oben, wo Heloise in ihr Schlafzimmer trat und sagte: »Wenn du diesen Verrückten nicht wegschickst, verlasse ich heute abend das Haus.«
Jetzt saß Tom in der Klemme. Er wollte Heloise dabehalten; aber er wußte: wenn sie blieb, kam er mit Bernard nicht weiter. Und auch er konnte, wie Bernard, nicht klar denken, wenn er Heloises empörte Augen auf sich gerichtet fühlte. »Ich werd noch mal versuchen, ihn loszuwerden«, sagte er und küßte Heloise auf den Nacken.
Wenigstens das ließ sie sich gefallen.
Tom ging nach unten. »Bernard, ich muß dir was sagen. Heloise regt sich sehr auf. Könntest du wohl noch heute abend nach Paris zurückfahren? Ich könnte dich nach – ja, am besten nach Fontainebleau bringen, da gibt´s auch mehrere gute Hotels. Wenn du mit mir reden möchtest, könnte ich morgen nach Fontainebleau kom men –«
»Nein.«
Tom seufzte tief. »Dann will sie heute abend noch fort.
Ich werde raufgehen und es ihr sagen.« Er stieg wieder die Treppe hinauf und erstattete Heloise Bericht. »Was soll das eigentlich heißen – wieder so ein Fall Dickie Greenleaf? Du kannst ihm nicht sagen, er soll das Haus verlassen?«
»Ich habe doch – Dickie war ja gar nicht in meinem Haus.« Tom konnte nicht weitersprechen. Heloise sah so zornig aus, daß er ihr zutraute, Bernard selbst hinauswerfen zu wollen, nur würde es ihr nicht gelingen. Bernards steinerner Widerstand war jenseits von Konvention und Sitte.
Sie zog einen kleinen Lederkoffer oben von einem Wandschrank und begann zu packen. Es hatte sicher keinen Zweck, ihr zu sagen, er fühle sich für Bernard verantwortlich. Sie würde fragen wieso.
»Heloise, mein Liebes, es tut mir so leid. Nimmst du den Wagen, oder soll ich dich zum Bahnhof fahren?« »Ich nehme den Alfa mit nach Chantilly. Das Telefon ist übrigens ganz in Ordnung, ich habe es eben in deinem Zimmer ausprobiert.«
»Vielleicht haben die es schnell gemacht, als die flics
es meldeten.«
»Vielleicht haben sie auch gelogen und es war gar nichts los, sie wollten uns bloß überraschen.« Sie hielt mitten im Packen inne, eine Bluse in der Hand. »Tom, was hast du angestellt? Hast du diesem Murchison was getan?«
»Nein!« Der Schreck fuhr Tom in die Glieder. »Mehr läßt sich nämlich mein Vater ganz bestimmt nicht gefallen. Noch ein Skandal: das macht er nicht mehr mit.«
Sie meinte den Fall Greenleaf. Tom hatte sich zwar aus der Affäre gezogen, aber Argwohn und Vermutungen waren geblieben. Die Romanen waren groß in scherzhaften Anspielungen, die auf seltsame Weise dann zur Wahrheit wurden. Vielleicht hatte Tom Dickie umgebracht –? Jeder wußte ja, daß Tom – obwohl er das zu verbergen trachtete – Vorteile aus Dickies Tod gewonnen hatte.
Heloise wußte, daß er ein Einkommen aus Dickies Nachlaß bezog, und ebenso wußte es ihr Vater, dessen eigene Geschäftspraktiken zwar auch nicht immer makellos waren, aber wer weiß, Tom hatte vielleicht Blut an den Händen. Non olet pecunia, sed sanguis . . .
»Es gibt keinen weiteren Skandal«, sagte er fest.
»Wenn du nur wüßtest, was ich alles tue, um einen Skandal zu vermeiden! Darum geht´s mir ja gerade.« Sie klappte den Kofferdeckel zu. »Ich weiß doch nie, was du machst.«
Tom nahm den Koffer, setzte ihn wieder hin, und sie umarmten sich. »Ach du – ich möchte heute nacht bei dir sein.«
Auch Heloise hätte das gewünscht; sie brauchte es gar nicht in Worten auszudrücken. Das war die Kehrseite ihres Fous-moi-le-camp ! Jetzt ging sie. So war es mit den französischen Frauen: sie mußten das Haus oder den Raum verlassen oder jemand anders ersuchen, sein Zimmer zu verlassen oder fortzugehen, und je lästiger es für den anderen war, desto besser gefiel es ihnen, aber immerhin, es war besser als ihr Geschrei. Tom nannte es ›Das Gesetz des Ortswechsels in Frankreich‹. »Hast du deine Eltern angerufen?« fragte er. »Wenn sie nicht da sind, dann sind die Mädchen da.« Die Fahrt würde nahezu zwei Stunden dauern. »Rufst du mich an, wenn du da bist?«
»Auf Wiedersehen, Bernard!« rief Heloise von der Haustür aus. Dann wandte sie sich zu Tom, der neben ihr herging, und sagte laut: »Non!«
Von Bitterkeit erfüllt sah Tom ihr nach. Die roten Schlußlichter des Alfa Romeo wandten sich in der Einfahrt nach links und
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