Ripley Under Ground
lachte.
»Du, hör mal«, sagte Jeff ein wenig munterer, »was ist eigentlich aus der ›Uhr‹ geworden, weißt du das? Gestohlen oder was?«
»Ja, offenbar gestohlen. Merkwürdig, nicht? Wer sich daran wohl jetzt ergötzt?«
Aber die Enttäuschung war immer noch spürbar, als Jeff dann auflegte. Tom kam also nicht nach London.
»Laß uns einen Gang machen«, sagte Bernard.
So wurde es also nichts mit dem Anruf bei Heloise. Tom nahm einen Anlauf, um Bernard um zehn Minuten Geduld zu bitten, damit er Heloise von seinem Zimmer aus anrufen konnte; doch dann ließ er es. Vermutlich war es besser, jetzt auf Bernard einzugehen. »Schön. Ich hole meine Jacke.«
Sie gingen durchs Dorf. Bernard stand der Sinn weder nach Kaffee noch nach einem Glas Wein noch nach Mittagessen. Sie gingen fast einen Kilometer auf den beiden Straßen, die aus Villeperce hinausführten, dann kehrten sie um. Manchmal mußten sie ausweichen, wenn große bäuerliche Lastwagen oder Pferdewagen kamen. Bernard sprach über van Gogh und Arles, wo er zweimal gewesen war.
»- er hatte eben eine bestimmte Lebensspanne, die ihm zugemessen war, mehr nicht. Mozart mit achtzig kann man sich ja auch nicht vorstellen. Ach, Salzburg würde ich gern noch mal sehen. Da gibt´s ein Café, das Tomaselli, wo sie phantastischen Kaffee haben . . . Kannst du dir zum Beispiel vorstellen, daß Bach mit sechsundzwanzig gestorben wäre? Und das beweist, daß ein Mensch das ist, was sein Werk ist, weder mehr noch weniger. Der Mensch ist nie gemeint, wenn man davon spricht, sondern immer nur sein Werk . . .«
Es sah nach Regen aus. Tom hatte schon vor einer Weile den Kragen hochgeschlagen.
». . . und Derwatt hatte eine ganz anständige Spanne. Unsinnig, daß ich sie verlängerte. Aber das habe ich ja auch nicht. Das läßt sich alles wieder in Ordnung bringen.« Bernard sprach wie ein Richter bei der Verkündigung des Urteils – eines nach seiner Meinung durchaus weisen Urteils.
Tom nahm die Hände aus den Taschen und blies hinein, dann schob er sie in die Taschen zurück.
Zu Hause machte Tom Tee und holte Whisky und Kognak hervor. Der Drink würde Bernard entweder beruhigen oder seinen Zorn erregen, wodurch eine Krise entstehen mußte; jedenfalls würde etwas passieren.
»Ich muß meine Frau mal anrufen«, sagte Tom. »Bitte bediene dich – trink, was du möchtest.« Er lief nach oben. Heloises Stimme – selbst wenn sie noch böse war – wäre zumindest eine Stimme der Vernunft.
Er gab der Telefonistin die Nummer in Chantilly. Von draußen hörte man, wie es anfing zu regnen; die Tropfen schlugen sanft gegen die Scheiben. Im Augenblick war es windstill. Tom seufzte.
Jetzt meldete sie sich. »Hallo, Heloise!« rief er. »Ja, mir geht´s gut. Ich wollte dich schon gestern abend anrufen, aber dann wurde es zu spät . . . Nein, ich war nur draußen, spazieren.« (Sie hatte versucht, ihn anzurufen.) »Ja, mit Bernard . . . Ja, er ist noch hier, aber heute wird er wohl abfahren, heute nachmittag oder heute abend. Wann kommst du wieder?«
»Wenn du diesen fou endgültig los bist!«
»Heloise, je t´aime. Vielleicht komme ich nach Paris, kann sein, mit Bernard. Dann werde ich ihn vielleicht eher los.«
»Warum bist du so nervös? Was ist los?«
»Gar nichts.«
»Sagst du mir Bescheid, wenn du in Paris bist?«
Tom kehrte nach unten zurück und legte eine Platte auf – eine Jazzplatte, weder gut noch schlecht, und es ging ihm damit so, wie er es schon mehrfach in kritischen Augenblicken erfahren hatte: der Jazz half ihm nicht. Nur klassische Musik half ihm: sie beruhigte – oder sie langweilte auch, sie gab Zuversicht oder nahm sie weg, weil sie Maß und Ordnung hatte, die man entweder akzeptierte oder abwies. Tom tat eine Menge Zucker in seinen erkalteten Tee und trank ihn aus. Bernard hatte sich offenbar zwei Tage lang nicht rasiert. Ob er sich einen Derwatt-Bart stehen lassen wollte?
Ein paar Minuten später schlenderten sie über den Rasen hinter dem Haus. An Bernards Schuh hing ein Schnürsenkel herab. Er trug niedrige Wildlederstiefel, etwas abgetragen, die Sohlen bogen sich wie die Schnäbel bei neugeborenen Vögeln; es sah merkwürdig altertümlich aus. Wollte er nun seinen Senkel zuschnüren oder nicht?
»Neulich«, sagte Tom, »habe ich mal versucht, einen Limerick zu komponieren.
Ein Computer geldgieriger Klasse vermittelte Ehen en masse.
Er traute auch fix Frau Null mit Herrn Nix und bat vorher und nachher zur Kasse.
Die letzte Zeile paßt nicht, ich weiß.
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