Ripley Under Ground
Vielleicht fällt dir was Besseres ein.« Tom hatte noch eine andere Version des Mittelteils und der letzten Zeile, aber Bernard hörte offenbar gar nicht zu.
Jetzt bogen sie in den kleinen Fußweg ein, der in den Wald führte. Der Regen hatte aufgehört, es tropfte nur noch von den Bäumen.
»Sieh mal den kleinen Frosch!« Tom bückte sich, um ihn aufzuheben, er wäre fast darauf getreten; ein winziges Ding, kaum größer als ein Daumennagel.
Der Schlag, der ihn traf, krachte auf den Hinterkopf. War das Bernards Faust gewesen? Tom hörte, wie Bernard etwas sagte, er fühlte nasses Gras und einen Stein an seinem Gesicht, dann verlor er für einen Augenblick das Bewußtsein, obwohl er wahrnahm, daß ihn ein zweiter Schlag seitlich am Kopf traf. Das geht zu weit, dachte Tom. Die leeren Hände fühlten sich an, als griffen sie taub und gefühllos am Boden entlang, aber er wußte, daß er sich gar nicht regte.
Dann wurde er über den Erdboden gerollt, weiter und weiter. Alles war still, nur in seinen Ohren sauste es. Er versuchte sich zu bewegen, aber es ging nicht. Lag er mit dem Gesicht nach oben oder nach unten? Die Gedanken arbeiteten, nur sehen konnte er nichts. Er blinzelte, und die Augen fühlten sich sandig an. Nun wurde ihm klar, daß etwas Schweres sich auf seinen Rücken und die Beine legte. Das Sausen in den Ohren dauerte an, doch daneben hörte er jetzt das gedämpfte Geräusch einer Schaufel, die in den Boden getrieben wurde. Bernard war dabei, ihn zu begraben. Tom wußte jetzt, seine Augen waren offen. Wie tief war die Grube? Es war Murchisons Grab, ganz sicher. Wieviel Zeit war vergangen?
Herrgott, er konnte doch nicht zulassen, daß Bernard ihn ein paar Fuß tief eingrub – da kam er ja nie wieder heraus. Es gab schließlich eine Grenze im Nachgeben, dachte er mit einem schwachen Anflug von Humor; die Grenze war sein eigenes Leben. Hör doch auf jetzt – schon gut! Er glaubte, die Worte laut geschrien zu haben, doch alles blieb still.
». . . nicht der erste«, sagte Bernards Stimme, dumpf und erstickt von dem Sand, der Tom umgab.
Was bedeutete das? Hatte er die Worte überhaupt gehört? Ein wenig konnte er den Kopf bewegen. Er lag also mit dem Gesicht nach unten. Ganz leicht konnte er den Kopf drehen.
Und jetzt fiel nichts mehr auf ihn herab. Tom konzentrierte sich darauf, vorsichtig Luft zu holen, durch Mund und Nase. Der Mund war trocken, er spuckte Sand aus. Vielleicht ging Bernard weg, wenn Tom sich nicht rührte? Er konnte jetzt wieder einigermaßen klar denken: Bernard mußte die Schaufel aus dem Geräteschuppen geholt haben, als Tom bewußtlos war. Er fühlte, wie ihm etwas Warmes den Rücken hinunterrann. Wahrscheinlich Blut.
Zwei oder auch fünf Minuten vergingen. Tom wollte sich aufrichten oder jedenfalls einen Versuch dazu machen, nur wußte er nicht, ob Bernard da stand und ihm zusah.
Hören konnte er gar nichts, auch keine Schritte. Vielleicht war Bernard schon vor Minuten fortgegangen. Außerdem: er würde ihn wohl kaum von neuem angreifen, wenn er sah, wie Tom sich aus der Grube herauskämpfte. Komisch war das. Später – wenn es ein Später gab, dachte Tom – würde er sicher darüber lachen.
Er wagte es und bewegte die Knie. Er versuchte, die Hände in den Boden zu stemmen und sich aufwärts zu schieben, aber ihm fehlte die Kraft. Er fing also an, sich wie ein Maulwurf mit den Fingern einen Weg nach oben zu graben. Er kratzte eine Stelle frei für sein Gesicht und schob sich etwas nach oben, der Luft entgegen, aber er erreichte sie nicht. Die Erde war naß und locker und sehr klebrig. Das Gewicht auf seinem Rücken war beträchtlich. Er begann mit den Füßen zu scharren und mit Armen und Händen aufwärts zu rudern, wie ein Mann, der in ungehärtetem Zement zu schwimmen versucht. Mehr als drei Fuß Erde konnten doch nicht auf ihm liegen, dachte er optimistisch. Vielleicht nicht einmal so viel. Eine Tiefe von drei Fuß Erde herauszuschaufeln, selbst wenn sie so weich war wie diese hier, das brauchte seine Zeit, und so sehr lange hatte Bernard bestimmt nicht gegraben. Tom war sicher, daß er jetzt an der Oberfläche seines Gefängnisses angelangt war, und wenn Bernard dort stand und gar nichts tat, ihn nicht weiter mit Erde bewarf oder auf ihn wartete, um ihm noch einmal einen Schlag über den Kopf zu versetzen, dann konnte er es wohl riskieren, einen kräftigen Schub nach oben zu tun und sich dann ein paar Sekunden auszuruhen. Er riskierte es und gewann dadurch etwas mehr Luft
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