Ripley Under Water
Anschein nach beifälliges Lächeln, als sie ihren Mann ansah. »Meine Frau, denke ich«, erwiderte er. »Nicht weiter schlimm, Janice. Aber warum will er Fotos von meinem Haus haben?«
»Will er ja gar nicht.« Ihre Stimme wurde schrill. »Er will Sie bloß ärgern – Sie und all die anderen.«
Tom mußte lachen, ein verständnisloses Lachen, und verbiß sich eine Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag. »Macht ihm Spaß, wie?«
»Ja. Ich versteh ihn nicht. Und ich hab ihm gesagt –«
Tom unterbrach ihre scheinheilige Verteidigungsrede und sagte: »Darf ich fragen, Janice, woher Sie oder Ihr Mann meine Nummer haben?«
»Ach, das war nicht schwer. David hat unseren Klempner gefragt, den Klempner vom Dorf, und der hat sie uns gleich gegeben. Er war im Haus, weil wir ein kleines Problem hatten.«
Natürlich, Victor Jarot, der unermüdliche Leerer widerspenstiger Wassertanks, der Rammbock verstopfter Rohre. Hatte so jemand auch nur eine Vorstellung von Privatsphäre? »Verstehe.« Tom wurde sofort rot vor Wut, wußte aber nicht, was er mit Jarot machen sollte, außer ihm einzuschärfen, doch bitte niemandem seine Telefonnummer zu geben, unter gar keinen Umständen. Das gleiche konnte ihm auch mit den Leuten passieren, die das Heizöl lieferten. Solche Menschen dachten, die Welt drehe sich um ihr métier und sonst gar nichts. »Was macht Ihr Mann wirklich?« fragte Tom, einfach ins Blaue hinein. »Daß er Marketing studiert, kann ich nämlich kaum glauben. Er weiß wahrscheinlich schon alles darüber! Also dachte ich, das wäre ein Scherz.« Daß er bei INSEAD angerufen hatte, würde er ihr nicht verraten.
»Oh, einen Moment – ja, mir war so, als hätte ich sein Auto gehört. David kommt zurück, ich muß Schluß machen, Mr. Ripley! Wiederhören!« Sie legte auf.
Sieh mal an – sie hatte heimlich anrufen müssen! Tom lächelte. Und wozu? Um sich zu entschuldigen! War das eine weitere Demütigung für Janice Pritchard gewesen? Und war ihr Mann wirklich gerade nach Hause gekommen?
Tom mußte laut lachen. Spiele, alles nur Spiele, versteckt oder offen. Spiele, die scheinbar offen, in Wahrheit aber heimlich und verstohlen abliefen. Andererseits: Hinter verschlossenen Türen wurden selbstverständlich und grundsätzlich Spiele gespielt, die von Anfang bis Ende geheimgehalten wurden. Und an denen lediglich Spieler teilnahmen, die selber nicht kontrollieren konnten, was sie da taten. War doch klar.
Tom drehte sich um, starrte das Cembalo an: Er würde sich jetzt nicht mehr daran setzen. Dann ging er hinaus, lief zum nächstgelegenen Dahlienbeet und schnitt mit dem Taschenmesser eine einzige Blume von der Sorte, die er frizzy orange nannte – seine Lieblingsdahlien, weil ihn die ausgefransten Blütenblätter an Skizzen van Goghs erinnerten, an Felder bei Arles, an Blätter und Blüten, die in liebevoll und sorgsam verschlungenen Linien mit Kreidestift oder Pinsel festgehalten waren.
Er ging zum Haus zurück, dachte an Scarlattis Opus 38, die Sonate en Ré Mineur, wie Monsieur Lepetit sie nannte, an der Tom gerade saß, in der Hoffnung, sie bald besser zu spielen. Er liebte das Hauptthema: Es klang nach dem strebenden Bemühen, ein Hindernis zu überwinden, und dennoch wunderschön. Aber er wollte das Stück nicht zu oft üben, um es sich nicht zu verleiden.
Er dachte auch an den Anruf, den er von Jeff oder Ed in Sachen Cynthia Gradnor erwartete. Bedrückend, zu wissen, daß er darauf wohl einen ganzen Tag würde warten müssen, selbst wenn Jeff Erfolg haben und sie irgendwie zum Reden bringen sollte.
Als gegen fünf Uhr nachmittags das Telefon klingelte, hegte Tom die verschwindend kleine Hoffnung, daß es Jeff sein möge, aber er war es nicht, sondern die angenehme Stimme Agnès Grais’: Sie fragte, ob Héloïse und er nicht gegen sieben auf einen apéritif vorbeikommen wollten. »Antoine hatte ein langes Wochenende, deshalb will er morgen früh fahren, und Sie reisen doch beide schon so bald ab.«
»Danke, Agnès. Bitte warten Sie einen Moment, ich frage sie.«
Héloïse war einverstanden. Tom kam zurück und sagte es Agnès.
Kurz vor sieben verließen sie Belle Ombre. Das Haus, das die Pritchards gerade gemietet hatten, lag ein Stück weiter an derselben Straße, mußte Tom auf der Fahrt denken. Was war den Grais’ an diesen Mietern aufgefallen? Nichts womöglich. Wie überall, standen auch in dieser Gegend Bäume auf den Wiesen, die manchmal die Lichter ferner Häuser verdeckten, sogar Geräusche
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