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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Janice an, die eher auf ihn sah als auf die Straße. Dann blickte er zum offenen Haustor hinüber, und Tom wünschte fast, der Mann würde es wagen und Janice befehlen, anzuhalten, zurückzusetzen und hindurchzufahren – Tom wäre am liebsten mit bloßen Fäusten auf die beiden losgegangen. Doch offenbar sagte Pritchard nichts dergleichen, denn der Wagen fuhr langsam davon. Ein weißer Peugeot mit Pariser Kennzeichen, stellte Tom fest.
    Was wohl inzwischen von Murchison noch übrig war? Das langsam und stetig fließende Wasser des Flusses dürfte über die Jahre mindestens soviel wie die Raubfische dafür getan haben, daß von dem Mann kaum noch etwas übrigwar. Tom wußte nicht, ob es im Loing fleischfressende Fische gab, abgesehen von Aalen, versteht sich. Er hatte gehört – Schluß mit diesen ekligen Gedanken; er wollte sich das nicht einmal vorstellen. Zwei Ringe an den Fingern, das wußte Tom noch. Er hatte sie damals dem Toten nicht abstreifen wollen. Wegen der Steine könnte die Leiche vielleicht sogar noch an derselben Stelle liegen. Ob sich der Schädel von den Halswirbeln gelöst hatte und von allein unter Wasser irgendwohin gerollt worden war, wodurch eine Identifizierung nach dem Gebiß unmöglich würde? Die Plane oder Persenning dürfte inzwischen sicher verrottet sein.
    Aufhören, befahl sich Tom und hob den Kopf. Nur wenige Augenblicke waren verstrichen, seit er die unheimlichen Pritchards zuletzt gesehen hatte; er stand jetzt vor seiner unverschlossenen Haustür.
    Madame Annette hatte mittlerweile den Frühstückstisch abgeräumt und erledigte wahrscheinlich gerade die kleineren Küchenarbeiten, füllte etwa Pfeffer- und Salzstreuer auf. Sie könnte aber auch auf ihrem Zimmer sein, für sich oder eine Freundin etwas nähen (sie besaß eine Nähmaschine) oder einen Brief an ihre Schwester Marie-Odile in Lyon schreiben. Sonntag war Sonntag, und das zeitigte Wirkung, sogar auf ihn, wie er gemerkt hatte: Sonntags arbeitete man einfach nicht so hart. Offiziell war aber Montag Madames freier Tag.
    Tom starrte das hellbraune Cembalo mit den schwarzen und beigen Tasten an. Ihr Musiklehrer, Roger Lepetit, würde am Dienstag kommen und beiden eine Stunde geben. Zur Zeit übte Tom ein paar alte englische Lieder ein, Balladen, die er nicht so liebte wie den Scarlatti, die aber wärmer waren, persönlicher und, natürlich, mal etwas anderes. Er hörte gern zu oder besser mit (denn Héloïse wünschte keine Zuhörer), wenn sie sich mit Schubert abmühte. Ihre Unschuld, ihr guter Wille schienen ihm den vertrauten Melodien des Meisters eine neue Dimension zu entlocken. Außerdem amüsierte ihn ihr Schubert, weil Monsieur Lepetit dem jungen Deutschen nicht unähnlich sah – allerdings, dachte Tom, war der Meister ja immer jung geblieben. Lepetit war Ende dreißig, eher sanft und beleibt und trug eine Nickelbrille, genau wie Schubert. Er war Junggeselle und lebte bei seiner Mutter, so wie Henri, der gärtnernde Riese. Wie verschieden die beiden doch waren!
    Schluß mit der Träumerei, sagte sich Tom. Logisch gesehen, was hatte er zu befürchten von Pritchards fotografischen Mühen an diesem Morgen? Würde der Mann die Fotos oder Negative an die CIA schicken? Jene Organisation, von der J.F.K. einst gesagt hatte, er sähe sie gern gehängt, gerädert und gevierteilt, wenn Tom sich recht erinnerte? Oder würde das Paar die Fotos, manche womöglich vergrößert, eingehend studieren und kichernd darüber reden, wie sie Fort Ripley stürmen könnten, das augenscheinlich ungeschützt war, kein Hund, kein Wachmann? Und wäre ihr Geplapper nur Tagträumerei oder schmiedeten sie konkrete Pläne?
    Was hatten sie gegen ihn – und warum? Und was verband sie mit Murchison, oder ihn mit ihnen? Ob sie verwandt waren? Das konnte und wollte Tom nicht glauben. Murchison, ein ziemlich gebildeter Mann, war etwas Besseres gewesen als diese Pritchards. Tom hatte auch seine Frau kennengelernt: Sie hatte ihn nach dem Verschwinden ihres Mannes in Belle Ombre besucht und rund eine Stunde lang mit ihm gesprochen. Eine kultivierte Frau, erinnerte er sich.
    Sammler schauerlicher Kuriositäten? Nach seinem Autogramm hatten sie nicht gefragt. Ob sie versuchen würden, während seiner Abwesenheit in oder um Belle Ombre Schaden anzurichten? Tom überlegte hin und her, ob er der Polizei melden sollte, daß er einen Mann gesehen habe, der ihm womöglich nachstellte, und da sie nun beide für eine Weile verreisen wollten…
    Tom hatte sich noch

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