Ripley Under Water
nicht entschieden, als Héloïse zurückkam.
Sie war guter Laune: » Chéri, warum hast du diesen Mann – den mit den Fotos – nicht hereingebeten? Prickard…«
»Pritchard, Liebes.«
»Pritchard. Du warst in seinem Haus. Was ist das Problem?«
»Im Grunde ist er kein freundlicher Zeitgenosse, Héloïse.« Tom stand an der Flügeltür zum Garten und nahm eine andere Haltung an: Die Beine leicht gespreizt, entspannte er sich bewußt. »Ein langweiliger kleiner Schnüffler«, fuhr er gelassener fort. »Ein fouineur, das ist er.«
»Und warum schnüffelt er herum?«
»Keine Ahnung, Liebling. Ich weiß nur, wir müssen auf Abstand bleiben, ihn ignorieren. Und seine Frau auch.«
Am nächsten Morgen, Montag, nutzte Tom die Zeit, als Héloïse im Bad war, und rief das Institut in Fontainebleau an, wo Pritchard angeblich Marketingkurse belegt hatte. Tom nahm sich Zeit dafür, sagte zunächst, er wolle mit jemandem von der Abteilung Marktforschung sprechen. Er war auf Französisch eingestellt, doch die Frau am anderen Ende sprach akzentfreies Englisch.
Als er den richtigen Mann am Apparat hatte, fragte er, ob David Pritchard, ein Amerikaner, gerade im Haus sei oder ob er eine Nachricht hinterlassen könne. »In der Abteilung Marketing, glaube ich«, sagte Tom, und weiter, er habe ein Haus gefunden, das Mr. Pritchard unter Umständen würde mieten wollen, und es sei wichtig, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Tom merkte, daß der Mann von INSEAD ihn ernst nahm – dort suchten Leute dauernd nach einer Bleibe. Als er zurückkam, teilte er Tom mit, bei ihnen sei kein David Pritchard verzeichnet, weder in Marketing noch einer anderen Abteilung.
»Dann muß ich mich wohl geirrt haben«, erwiderte Tom. »Vielen Dank für Ihre Mühe.«
Er drehte eine Runde im Garten. Hätte er sich natürlich denken können, daß David Pritchard – wenn er denn wirklich so hieß – sich ein Spiel daraus machte, ihm Lügen aufzutischen.
Nun zu Cynthia – Cynthia Gradnor. Das ungelöste Rätsel. Er beugte sich rasch zum Rasen hinab und pflückte eine zarte, glänzende Butterblume. Wie war Pritchard an ihren Namen gekommen?
Tom atmete tief durch und wandte sich wieder dem Haus zu. Er hatte beschlossen, das einzig Richtige zu tun, nämlich Ed oder Jeff zu bitten, Cynthia anzurufen und sie frank und frei zu fragen, ob sie David Pritchard kenne. Er könnte das selbst tun, hegte aber den starken Verdacht, daß Cynthia bei ihm sofort auflegen oder bewußt jede Hilfe verweigern würde, ganz gleich, was er von ihr wollte. Sie haßte ihn mehr als die andern beiden.
Gerade als Tom das Wohnzimmer betrat, klingelte es an der Haustür, einmal, zweimal. Tom richtete sich auf, ballte die Fäuste und löste sie wieder. Er spähte durch den Türspion: ein Unbekannter mit blauer Mütze.
»Wer ist da?«
»Eilsendung, M’sieur . Pour Monsieur Ripley? «
Er machte auf. »Ja, danke.«
Der Expreßbote gab Tom einen kleinen, festen braunen Umschlag, hob die Hand zu einem vagen Gruß und fuhr davon. Er mußte aus Fontainebleau oder Moret gekommen sein und sich bis zum Haus durchgefragt haben, im bar-tabac vielleicht. Dies war Reeves Minots geheimnisvolle Sendung aus Hamburg; Name und Adresse standen oben links auf dem Umschlag. Innen fand Tom eine kleine weiße Schachtel und darin wiederum etwas, was aussah wie ein Miniaturfarbband für eine Schreibmaschine, in einer durchsichtigen Plastikhülle. Außerdem einen weißen Umschlag, auf den Minot »Tom« geschrieben hatte. Er öffnete ihn:
Hallo, Tom,
hier ist es. Bitte schicke das Band in etwa fünf Tagen weiter an George Sardi, 307 Temple St., Peekskill, NY , 10 569 USA . Aber nicht als Einschreiben, und auf den Zollzettel solltest du »Kassette« oder »Farbband für Schreibmaschine« schreiben. Per Luftpost, bitte.
Alles Gute, wie immer,
R. M.
Was wohl darauf war, fragte sich Tom, als er die durchsichtige Hülle wieder in die weiße Schachtel steckte. Irgendwelche internationalen Geheimnisse? Anweisungen für Finanztransaktionen? Aufzeichnungen von Drogengeldwäsche? Oder widerliches Erpressungsmaterial, streng privat und persönlich, zwei Stimmen, aufgenommen, als beide Personen sich unbelauscht wähnten? Tom war froh, nichts davon zu wissen. Für solche Jobs wurde er nicht bezahlt, wollte das auch nicht und würde kein Geld nehmen, nicht einmal einen Gefahrenbonus, selbst wenn ihm Reeves das anbieten sollte.
Tom beschloß, es zuerst bei Jeff Constant zu versuchen, und ihn zu bitten,
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