Ripley Under Water
»konnte nicht durchkommen. Das sagte man mir schon über das Telefonieren nach Tanger. Laßt uns etwas essen gehen und die Sache vorerst vergessen.«
»Ist ja verdammt schwierig.« Jeff richtete sich auf. »Ich hörte dich sagen, du würdest es später wieder versuchen.«
»Ja. Übrigens danke, daß ihr mein Bett gemacht habt. Das wird mir heute nacht willkommen sein.«
Kurz darauf gingen sie draußen im Nieselregen, zu dritt unter zwei Regenschirmen, zu dem von Ed empfohlenen Pubrestaurant, das ganz in der Nähe lag: viele Holznischen und Balken in warmem Braun. Sie setzten sich an einen Tisch – Tom war das lieber, weil er dort die anderen Gäste besser beobachten konnte. Er bestellte Roastbeef und Yorkshirepudding, wie in alten Zeiten.
Tom fragte Jeff Constant nach seiner Arbeit. Jeff war selbständig; er mußte manche Jobs nur des Geldes wegen annehmen, was ihm nicht so gut gefiel wie Aufträge, die er »künstlerische Interieurs mit oder ohne Menschen« nannte. Damit meinte er Fotos von schönen Inneneinrichtungen, manchmal mit einer Katze oder mit Pflanzen. Die Brotarbeiten hätten oft mit Industriedesign zu tun, sagte er, Nahaufnahmen von Bügeleisen und so weiter.
»Oder von Gebäuden außerhalb der Stadt«, fuhr er fort, »die erst halb fertig sind. Ich muß sie fotografieren, manchmal bei solchem Wetter.«
»Seht ihr beiden euch oft?« fragte Tom.
Ed und Jeff lächelten, wechselten einen kurzen Blick. Ed antwortete zuerst: »Würd ich nicht sagen – du etwa, Jeff? Aber wenn einer den andern braucht, ist der da.«
Tom dachte an die Anfangszeiten, als Jeff die hervorragenden Fotos von Derwatts (echten) Bildern gemacht und Ed den Maler hochgelobt hatte, indem er Artikel über Derwatt geschrieben und hier und da vorsichtig ein Wort hatte fallenlassen – sie hatten gehofft, mit der Werbung die PR -Maschinerie ins Rollen zu bringen, und genauso war es gekommen. Derwatt, so ihre Version der Geschichte, lebe von jeher in Mexiko, aber völlig zurückgezogen; er weigere sich, Interviews zu geben oder auch nur den Namen seines Dorfes zu nennen. Angeblich lag das unweit von Veracruz, von wo er seine Gemälde nach London verschiffte. Die früheren Besitzer der Galerie Buckmaster hatten mit Derwatt keinen sonderlichen Erfolg gehabt, weil sie ihn nicht energisch beworben hatten. Jeff und Ed hatten selbst erst damit angefangen, nachdem Derwatt in Griechenland ins Wasser gegangen war. Alle hatten sie Derwatt gekannt (nur Tom seltsamerweise nicht, auch wenn es ihm oft so vorkam). Vor seinem Selbstmord war Derwatt ein guter, interessanter Maler gewesen, immer hart an der Grenze zur Armut, ein bewunderter Bekannter von Jeff und Ed, Cynthia und Bernard. Er stammte aus einer Industriestadt im Norden Englands, deren Namen Tom vergessen hatte. Ihm wurde klar, wie entscheidend damals das Hochloben gewesen war. Merkwürdig. Andererseits war gerade der Mangel an Besprechungen van Goghs Problem gewesen. Wer hatte Vincent öffentlich gepriesen? Niemand, außer Theo vielleicht.
Eds schmales Gesicht verdüsterte sich. »Ich frage das heute abend nur einmal, Tom: Machst du dir wirklich gar keine Sorgen wegen Héloïse?«
»Nein. Gerade mußte ich an etwas anderes denken: Ich kenne diesen Pritchard, Ed. Nicht gut, aber gut genug.« Tom lachte. »Einen wie ihn hab ich noch nie getroffen, aber gelesen hab ich über solche Typen. Ein Sadist. Er hat Vermögen, sagt seine Frau jedenfalls, aber ich werde den Verdacht nicht los, die beiden lügen, wenn sie nur den Mund aufmachen.«
»Er hat eine Frau?« fragte Jeff überrascht.
»Hab ich dir das nicht erzählt? Eine Amerikanerin. Sieht mir nach einer Sado-Maso-Beziehung aus. Sie lieben und sie hassen sich, verstehst du?« An Jeff gewandt, fuhr er fort: »Pritchard hat mir gesagt, er würde Marketing am INSEAD studieren – das ist ein Wirtschaftsinstitut bei Fontainebleau. Stimmt gar nicht. Seine Frau hat blaue Flecken auf den Armen – und am Hals. Er ist nur aus dem Grund nach Villeperce gezogen, um mir das Leben so schwer wie möglich zu machen. Und jetzt hat Cynthia die Sache mit Murchison erwähnt und so seine Phantasie beflügelt.« Als Tom in sein Roastbeef schnitt, merkte er, daß er keine Lust hatte, Ed oder Jeff zu erzählen, Pritchard (oder dessen Frau) habe sich am Telefon als Dickie Greenleaf ausgegeben und sowohl mit ihm als auch mit Héloïse gesprochen. Tom dachte nicht gerne an Dickie zurück.
»Und sogar nach Tanger ist er dir gefolgt«, sagte Jeff, Messer und
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