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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sie vor ihrem Haus abfangen. Aber was hatte er zu verlieren? Vielleicht hatte Cynthia tatsächlich Murchisons Verschwinden Pritchard gegenüber erwähnt, es womöglich betont als eine Episode in Toms Lebenslauf, den Pritchard offenbar aus den Zeitungsarchiven kannte. In London? Tom könnte herausfinden, ob sie noch immer Kontakt zu Pritchard hatte, telefonisch oder durch gelegentliche kurze Briefe. Und erfahren, was für einen Plan sie verfolgte – sofern sie überhaupt etwas plante, außer ihn ein bißchen zu ärgern.
    In einem Pub unweit von Piccadilly aß er zu Mittag, dann nahm er ein Taxi zu Ed Banburys Wohnung. Er legte den Morgenmantel in der großen Plastiktüte auf Eds Bett, einfach so, ohne Geschenkkarte daran, doch die Tasche von Simpson’s sah hübsch aus, fand er. Tom ging zurück in sein Schlafzimmer-cum-Bibliothek, hängte den eigenen Morgenmantel über eine Stuhllehne und ging die Telefonbücher suchen. Er fand sie nicht weit von Eds Arbeitstisch und auch eine Gradnor, Cynthia L.
    Ein Blick auf die Uhr, es war Viertel vor zwei. Er wählte die Nummer.
    Nach dem dritten Klingeln meldete sich eine Stimme vom Band, Cynthias Stimme: Während der Geschäftszeiten solle der Anrufer bitte eine andere Nummer anrufen.
    Tom wählte, eine Frau hob ab, sagte etwas wie »Agentur Vernon McCullen«, und er fragte, ob Miss Gradnor zu sprechen sei.
    Miss Gradnor meldete sich: »Hallo?«
    »Hallo, Cynthia. Hier ist Tom Ripley.« Er sprach ein wenig tiefer, auch ernster. »Ich bin für ein paar Tage in London – eigentlich schon seit etwa einem Tag. Ich hatte gehofft –«
    »Wieso rufen Sie ausgerechnet mich an?« fiel sie ihm ins Wort, die Krallen schon ausgefahren.
    »Weil ich Sie gerne treffen würde«, erwiderte Tom gelassen. »Ich habe einen Einfall, eine Idee. Ich denke, die könnte Sie und uns alle interessieren.«
    »›Uns alle‹?«
    »Ich glaube, Sie wissen, wen ich meine…« Tom stand gerade. »Bin sogar sicher. Cynthia, ich möchte Sie sprechen, nur zehn Minuten. Irgendwo, ein Restaurant, ein Teehaus…«
    »Ein Teehaus ?!« Ihre Stimme klang fast schrill, doch nicht ganz, denn das hätte Kontrollverlust bedeutet. Cynthia verlor nie die Kontrolle. Tom fuhr entschlossen fort: »Ja, Cynthia. Irgendwo. Wenn Sie mir sagen könnten –«
    »Wie kommen Sie dazu?«
    Tom lächelte. »Ein Einfall. Der eine Menge Probleme beseitigen könnte – Unannehmlichkeiten.«
    »Mir liegt nichts daran, Sie zu sehen, Mr.   Ripley.« Sie legte auf.
    Die Abfuhr brachte Tom einen Moment lang ins Grübeln. Er ging in Eds Arbeitszimmer auf und ab, dann zündete er sich eine Zigarette an und wählte die Nummer, die er notiert hatte.
    Wieder meldete sich die Agentur, er ließ sich den Namen bestätigen und bekam die Adresse. »Bis wann ist Ihr Büro besetzt?«
    »Hmm – bis etwa halb sechs.«
    »Danke.«
    Am späten Nachmittag lag Tom ab fünf nach fünf in einem Hauseingang auf der Lauer, an der King’s Road, wo die Agentur Vernon McCullen ihre Büros hatte. In dem eher neuen grauen Gebäude waren ein Dutzend Firmen untergebracht; Tom hatte die Liste an der Wand des Foyers gelesen. Er hielt Ausschau nach einer schlanken großgewachsenen Frau mit glattem hellbraunen Haar, die nicht mit ihm rechnen würde. Oder doch? Tom mußte lange warten. Um zwanzig vor sechs sah er gerade zum vielleicht fünfzehnten Mal auf die Uhr – er hatte genug davon, die Gesichter der Gestalten zu mustern, die nun das Haus meist verließen, statt hineinzugehen: Männer und Frauen, manche wirkten müde, andere lachten und plauderten miteinander, offenbar froh, einen weiteren Tag hinter sich gebracht zu haben.
    Tom zündete sich eine Zigarette an, die erste seit Beginn seiner Wache, weil Rauchen oft gerade das Ereignis herbeiführte, bei dem die Zigarette wieder ausgemacht werden mußte (etwa das Eintreffen des Busses). Er ging ins Foyer.
    »Cynthia!«
    Vier Aufzüge, aus dem hinten rechts war sie gerade getreten. Tom ließ die Zigarette fallen, trat sie aus, hob die Kippe auf und warf sie in einen Sandascher.
    »Cynthia!« wiederholte er. Beim erstenmal hatte sie ihn bestimmt nicht gehört.
    Sie blieb stehen, ihr glattes Haar schwang herum. Die Lippen, ein gerader Strich, schienen schmaler als in seiner Erinnerung. »Ich sagte schon, daß ich Sie nicht sehen will, Tom. Wieso wollen Sie mir unbedingt auf die Nerven gehen?«
    »Das will ich nicht, ganz im Gegenteil. Doch hätte ich gerne nur fünf Minuten…« Er zögerte. »Können wir uns nicht

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