Ripley Under Water
damit aufhören können – Derwatts zu malen, meine ich. Er hat Derwatt als Künstler mehr als nur geschätzt. Sie dürfen bei alldem das Persönliche zwischen Bernard und Derwatt nicht vergessen. Ich… Ich glaube ganz ehrlich, daß wir auf Bernards Tun irgendwann keinen Einfluß mehr hatten, und zwar schon ziemlich früh, als er allmählich Derwatts Stil übernahm.« Im Brustton der Überzeugung fuhr er fort: »Wer hätte ihn aufhalten sollen, das würde ich gerne wissen.« Cynthia bestimmt nicht, dachte er, dabei hatte sie von Anfang an von Bernards Fälschungen gewußt, weil sie einander sehr nahestanden, beide in London wohnten und heiraten wollten.
Cynthia sagte nichts, sog an ihrer Zigarette, einen Moment hohlwangig wie eine Tote oder Schwerkranke.
Tom sah hinab auf seinen Longdrink. »Ich weiß, daß Sie mich nicht gerade mögen, Cynthia, also wird es Ihnen egal sein, wie sehr mir Pritchard auf die Nerven geht. Aber was, wenn er von Bernard anfängt?« Wieder sprach er leiser. »Scheinbar nur, um mich zu treffen? Grotesk ist das!«
Cynthia ließ ihn nicht aus den Augen: »Von Bernard? Nein. Wer hat bei alldem je seinen Namen erwähnt? Und wer sollte ihn jetzt in die Sache hineinziehen? Kannte Murchison überhaupt seinen Namen? Ich glaube nicht. Und wenn schon – der Mann ist tot. Hat Pritchard von Bernard gesprochen?«
»Nicht mir gegenüber.« Tom sah, wie sie das Glas bis auf den letzten roten Tropfen leerte, so als sei damit ihr Treffen beendet. »Noch einen?« fragte er mit Blick auf ihr leeres Glas. »Ich wäre dabei.«
»Nein danke.«
Tom mußte jetzt schnell denken: Schade, Cynthia wußte (oder war sich fast sicher), daß Bernard Tufts’ Name im Zusammenhang mit den Fälschungen niemals gefallen war. Er selbst hatte, wenn er sich recht erinnerte, dessen Namen Murchison genannt, als er den Mann überreden wollte, nicht weiter nach Beweisen für Fälschungen zu forschen. Aber wie Cynthia gesagt hatte: Murchison war tot, weil Tom ihn sofort nach jener ergebnislosen Unterhaltung getötet hatte. Tom konnte also kaum an Cynthias Wunsch appellieren – vorausgesetzt, sie hegte ihn denn –, Bernards Namen nicht beschmutzt zu sehen, wenn dieser in den Zeitungen niemals genannt worden war. Er versuchte es trotzdem.
»Sie würden doch sicher nicht wollen, daß Bernards Name da hineingezogen wird – falls Pritchard, der Irre, weiterwühlt und ihn von irgendwem erfährt.«
»Von wem denn?« fragte Cynthia. »Von Ihnen etwa? Machen Sie Witze?«
»Nein!« Er spürte, daß sie sich von seiner Frage bedroht fühlte. »Nein«, wiederholte er ernsthaft. »Tatsächlich ist mir ein ganz anderer, besserer Einfall gekommen, sollte Bernard mit den Bildern in Verbindung gebracht werden.« Tom biß sich auf die Lippe und sah hinab auf den häßlichen Glasaschenbecher, der ihn an das ebenso unschöne Gespräch mit Janice Pritchard erinnerte, in Fontainebleau, wo sich im Aschenbecher fremde Kippen gehäuft hatten.
»Und der wäre?« Cynthia griff nach ihrer Handtasche und setzte sich kerzengerade auf, schon auf dem Sprung zu gehen.
»Bernard hat das so lange gemacht – sechs oder sieben Jahre? –, daß er Derwatt weiterentwickelte und besser wurde als er – daß er ihn in gewisser Weise verkörperte.«
»Sagten Sie das nicht bereits? Oder hat Jeff mir gegenüber nur wiederholt, was Sie ihm erzählt haben?« Sie blieb unbeeindruckt.
Tom ließ nicht locker. »Wichtiger noch: Was wäre so schrecklich schlimm daran, wenn die zweite Hälfte von Derwatts Werk oder noch mehr als Arbeiten Bernards entlarvt würden? Sind das denn die schlechteren Bilder? Ich rede nicht vom Wert guter Fälschungen – das ist ja dieser Tage in den Nachrichten, ist sogar ein Trend, ein neues Gewerbe. Ich rede von Bernard als einem Maler, der sich von Derwatt aus fortentwickelte – weiterging, meine ich.«
Cynthia wurde unruhig, wollte schon aufstehen: »Es ist Ihnen allen, Ed und Jeff eingeschlossen, anscheinend niemals klargeworden, daß Bernard todunglücklich war wegen dem, was er tat. Wir beide sind daran zerbrochen. Ich…« Sie schüttelte den Kopf.
Am Tisch hinter Tom ertönte wieder brüllendes Gelächter. Wie sollte er Cynthia in den nächsten dreißig Sekunden begreiflich machen, daß Bernard seine Arbeit auch geliebt und geachtet hatte, selbst wenn er »Fälschungen« herstellte? Was Cynthia nicht hinnehmen konnte, war die Unehrlichkeit in Bernards Versuch, Derwatts Stil nachzuahmen.
»Künstler haben ihre Bestimmung«,
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