Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
und dann mit Kanonen. – Ich schaffe das schon, Jon.«
Plötzlich packte Jonathan die Wut, er wollte sein Zuhause schützen, koste es, was es wolle. »Gut, wir gehen gemeinsam!«
»Was hast du vor, Jon?« fragte Simone.
»Wir glauben, da könnten noch mehr kommen«, erwiderte Jonathan auf französisch.
Tom ging in die Küche. Er nahm den Hut des Toten, der [363] neben der Leiche auf dem Linoleumboden lag, setzte ihn auf und stellte fest, daß er ihm zu groß war. Dann fiel ihm ein, daß die Italiener ja beide Pistolen in ihren Schulterhalftern stecken hatten. Er nahm dem Mann die Waffe ab und ging zurück ins Wohnzimmer. »Die Kanonen!« sagte er und griff nach der Pistole des Toten auf dem Teppich. Der Mann hatte sie noch ziehen können; sie lag unter seinem Jackett. Tom hob den Hut des Mannes auf, der ihm besser paßte, und gab den anderen Jonathan: »Setz den auf. Ist ein kleiner Vorteil, wenn wir wie sie aussehen, bis wir über die Straße sind. Aber du kommst vielleicht besser nicht mit, Jon. Ich schaffe das schon allein da draußen. Ich will nur, daß sie abziehen.«
»Dann komme ich mit«, sagte Jonathan. Er wußte, was er zu tun hatte: sie verjagen, vielleicht auch einen erschießen, bevor er selbst erschossen wurde.
Tom gab Simone eine der Waffen, die kleine italienische Pistole. »Sie könnten sie brauchen, Madame.« Aber sie schreckte davor zurück, also legte er die Pistole auf das Sofa. Entsichert.
Jonathan entsicherte die Waffe, die er in der Hand hielt. »Konntest du erkennen, wie viele im Wagen sind?«
»Nein. Drinnen war’s zu dunkel.« Bei diesen Worten hörte Tom, wie jemand heranschlich und vorsichtig die Vordertreppe heraufkam. Tom nickte Jonathan zu. »Verriegeln Sie hinter uns, Madame!« flüsterte er Simone zu.
Beide trugen Hüte, als sie durch den Flur zur Haustür tappten. Tom schob den Riegel zurück und riß die Tür auf. Vor ihm stand ein Mann. Tom stieß ihn zurück und packte ihn am Arm, drehte ihn um und schob ihn die Stufen [364] hinunter. Jonathan hielt den anderen Arm fest. In der Dunkelheit mochten sie für einen Moment als die beiden Kumpane des Mannes durchgehen, aber länger als ein paar Sekunden würde die Tarnung nicht halten, das war Tom klar.
»Links rüber!« sagte er zu Jonathan. Ihr Gefangener wehrte sich, stumm zwar, aber so stark, daß er Tom fast vom Boden hob.
Jonathan hatte das Auto entdeckt. Jetzt flammten die Scheinwerfer auf, der Fahrer ließ den Motor aufheulen und setzte ein Stück zurück.
»Weg mit ihm!« sagte Tom, und gemeinsam, als hätten die beiden es einstudiert, stießen sie den Italiener vorwärts, so daß er mit dem Kopf seitlich gegen den zurückrollenden Wagen schlug. Die Waffe, die er gezogen hatte, schepperte über das Pflaster. Der Wagen hielt an, die Tür vor Tom ging auf. Anscheinend wollten die Männer ihren Kumpan wiederhaben. Tom zog die Pistole aus der Hosentasche, zielte und feuerte auf den Fahrer, der mit Hilfe des Mannes im Fond versuchte, den benommenen Italiener auf den Beifahrersitz zu zerren. Tom wollte nicht noch einmal schießen, weil schon ein paar Leute aus der Rue de France auf sie zurannten und in einem Haus ein Fenster aufging. Tom sah, wie die Tür aufschwang und jemand auf den Gehweg hinausgestoßen wurde. Oder bildete er sich das alles nur ein?
Aus dem Fond kam ein Schuß, dann noch einer – im selben Moment sprang oder stolperte Jonathan vor ihn. Der Wagen jagte davon.
Jonathan fiel vornüber und sackte, bevor Tom ihn auffangen konnte, dort auf dem Pflaster zusammen, wo eben [365] noch das Auto gestanden hatte. Verdammt, dachte Tom, falls er den Fahrer getroffen hatte, dann nur in den Arm. Der Wagen war nicht mehr zu sehen.
Ein junger Mann, dann ein Pärchen eilten herbei.
»Was ist passiert?«
»Ist er angeschossen?«
»Police!« Der Schrei kam von der jungen Frau.
»Jon!« Tom hatte gedacht, Jonathan sei nur gestolpert, aber er stand nicht wieder auf und regte sich kaum noch. Der junge Mann half ihm, Jonathan auf den Gehweg zu tragen. Er war ganz schlaff.
Jonathan glaubte, er sei in die Brust getroffen. Er hatte einen heftigen Schlag erhalten und spürte jetzt nur noch Taubheit. Bald würde er ohnmächtig werden. Vielleicht war es auch schlimmer als eine Ohnmacht. Um ihn wimmelte es von Leuten, die laut durcheinanderriefen.
Erst jetzt erkannte Tom die Gestalt auf dem Gehweg. Es war Reeves. Zusammengekrümmt lag er da und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
»…einen Krankenwagen!« Eine
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