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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Handbreit offengestanden. Seit die Italiener eingedrungen waren, mochten anderthalb Minuten vergangen sein. Er hob den Hammer vom Boden auf, ging zur Haustür und verriegelte sie. Von draußen drangen nur die normalen Geräusche herein, Schritte auf dem Gehweg, ein vorbeifahrendes Auto.
    »Jon«, sagte Simone.
    [360]  Jonathan hustete, rieb sich den Hals und versuchte, sich aufzusetzen.
    Der Hurensohn in Grau rührte sich nicht. Zufällig war er so gefallen, daß der Kopf gegen ein Bein des Sessels lehnte. Tom faßte den Hammer fester und wollte dem Mann noch eins überziehen, zögerte aber, weil auf dem Teppich schon eine Blutlache stand. Andererseits lebte der Kerl wahrscheinlich noch.
    »Schwein«, murmelte Tom, zog ihn an seinem Hemdkragen und dem grellbunten Schlips hoch und schlug ihm den Hammer auf die linke Schläfe.
    Georges stand in der Tür, die Augen weit aufgerissen.
    Simone hatte Jonathan ein Glas Wasser geholt und kniete neben ihm. »Weg, Georges!« sagte sie. »Papa geht es gut. Lauf ins – nein, Georges, ab nach oben!«
    Doch der Junge blieb stehen, fasziniert von einer Szene, die selbst das Fernsehen kaum übertreffen konnte. Aber weil es wie Fernsehen war, nahm er es auch nicht allzu ernst. Er machte große Augen, sog alles in sich auf, doch Angst hatte er nicht.
    Tom und Simone halfen Jonathan auf das Sofa. Er saß aufrecht da. Simone reichte ihm ein feuchtes Tuch für das Gesicht. »Ich bin okay, ehrlich«, murmelte er.
    Tom horchte noch immer auf Schritte vor oder hinter dem Haus. Das ausgerechnet jetzt, da er bei Simone den Eindruck hatte erwecken wollen, ein friedfertiger Mensch zu sein! »Madame, ist die Gartenpforte verschlossen?«
    »Ja«, sagte sie.
    Ihm fiel ein, daß die Pforte außerdem oben Eisenspitzen trug. Auf englisch sagte er zu Jonathan: »Wahrscheinlich [361]  wartet noch mindestens einer draußen im Wagen.« Simone hatte das sicher verstanden, doch ihr Gesicht verriet ihm nichts. Sie betrachtete Jonathan, der nun ganz außer Gefahr schien, und ging dann zu Georges, der immer noch in der Tür stand.
    »Georges! Wirst du wohl…!« Sie scheuchte ihn zurück nach oben, trug ihn die halbe Treppe hinauf und gab ihm einen Klaps auf den Hosenboden. »Geh auf dein Zimmer und mach die Tür zu!«
    Tom fand, sie halte sich großartig. Genau wie in Belle Ombre würde wohl jeden Augenblick ein weiterer Mann vor der Tür stehen. Tom stellte sich vor, was der Mann im Wagen denken mochte: Da nichts zu hören war, weder Schreie noch Schüsse, nahm er (oder nahmen sie) wahrscheinlich an, alles sei nach Plan gelaufen, und erwartete nun die beiden Kumpane jeden Moment aus dem Haus zurück – Auftrag erfüllt, die Trevannys erdrosselt oder erschlagen. Reeves mußte gesungen haben, er mußte der Mafia Jonathans Namen und Adresse verraten haben. Tom kam der verrückte Gedanke, Jonathan und er sollten sich die Hüte der Toten aufsetzen und zum Wagen der Italiener hinauslaufen. Wenn dort noch jemand wartete, könnten sie die kleine Pistole nehmen und ihn überrumpeln. Doch das konnte er von Jonathan nicht verlangen.
    »Jonathan, ich schaue besser draußen nach, bevor es zu spät ist«, sagte er.
    »Wieso zu spät?« Jonathan hatte sich das Gesicht mit dem feuchten Tuch abgewischt; über der Stirn standen ihm ein paar blonde Strähnen zu Berge.
    »Bevor sie vor der Tür stehen. Sie werden Verdacht [362]  schöpfen, wenn ihre Kumpane nicht wiederkommen.« Wenn die Mafiosi sahen, was hier passiert war, würden sie ihn und die beiden Trevannys niederschießen und im Auto flüchten. Tom ging zum Fenster, bückte sich hinab auf Höhe der Fensterbank und sah nach draußen. Er horchte auf das Tuckern eines laufenden Motors, spähte nach einem wartenden Wagen mit eingeschaltetem Standlicht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite durfte man heute parken. Tom entdeckte den Wagen der Italiener, wenn er es denn war, links vom Haus, gut zehn Meter entfernt. Ein großer Wagen, die Standlichter brannten, doch ob der Motor lief, konnte Tom wegen der anderen Straßengeräusche nicht hören.
    Jonathan stand auf und kam herüber.
    »Ich glaube, ich sehe sie«, sagte Tom.
    »Was sollen wir tun?«
    Tom überlegte, was er täte, wenn er allein wäre: Er würde im Haus bleiben und jeden über den Haufen schießen, der durch die Tür kam. »Wir müssen an Georges und Simone denken. Wir wollen keinen Kampf hier im Haus. Ich denke, wir sollten sie überraschen, und zwar draußen. Sonst greifen sie uns hier drinnen an,

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