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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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»Übrigens, meinen Koffer hab ich nicht abgeholt. Der steht immer noch in der Hotelhalle unten in Ascona. Die haben mich einfach nur rausgewunken und gesagt: ›Laß ihn hier.‹«
    »Sie können das Hotel anrufen«, sagte Tom. »Zum Beispiel von Fontainebleau aus.«
    »Ich weiß. Also, die haben mir immerzu Fragen gestellt. Sie wollten wissen, wer hinter der ganzen Sache steckt. Ich sagte, niemand. Ich als Drahtzieher, wer glaubt denn so was?« Reeves lachte verlegen. »Und Ihren Namen wollte ich nicht nennen, Tom. Außerdem waren Sie es ja nicht, der die Mafia aus Hamburg heraushalten wollte. Und dann… Dann haben sie mit den Zigaretten angefangen. Haben [372]  mich gefragt, wer im Zug war. Ich fürchte, ich habe mich nicht so gut gehalten wie Fritz. Der gute alte Fritz…«
    »Er ist doch nicht etwa tot, oder?« fragte Tom.
    »Nein, nicht daß ich wüßte. Wie auch immer, um es kurz zu machen, kurz und beschämend: Ich habe ihnen Jonathans Namen und Adresse verraten. Weil sie mich im Wagen festhielten, irgendwo im Wald, und Zigaretten auf mir ausdrückten. Ich weiß noch, wie ich dachte: Selbst wenn ich wie ein Wahnsinniger um Hilfe schreie, hört mich kein Mensch hier. Dann haben sie mir die Nase zugehalten und so getan, als wollten sie mich ersticken.« Er rutschte auf dem Sofa hin und her.
    Tom verstand ihn. »Haben sie meinen Namen erwähnt?«
    »Nein.«
    War es denkbar, daß sein Coup mit Jonathan geglückt war? Vielleicht nahm die Genotti-Familie inzwischen tatsächlich an, Tom Ripley sei die falsche Fährte gewesen? »Vermutlich waren das Männer von den Genottis, oder?«
    »Das wäre logisch, ja.«
    »Sicher wissen Sie’s nicht?«
    »Mein Gott, Tom, die sagen doch nicht, von welcher Familie sie sind!«
    Das stimmte. »Und kein Wort von Angi oder Lippo? Oder von einem Capo namens Luigi?«
    Reeves dachte nach. »Luigi – den Namen hab ich vielleicht schon mal gehört. Tom, ich war vor Angst wie gelähmt. Tut mir leid…«
    Tom seufzte auf. »Angi und Lippo sind die beiden, die Jonathan und ich Samstag abend erledigt haben«, sagte er [373]  leise, als könne sie jemand hören. »Zwei von den Genottis. Sie kamen hierher, und wir haben sie… Sie wurden eingeäschert, in ihrem Wagen, meilenweit weg von hier. Jonathan war dabei, er hat sich großartig gehalten. – Sie sollten die Zeitungsberichte lesen!« fügte Tom lächelnd hinzu. »Wir hatten Lippo dazu gebracht, seinen Boss Luigi anzurufen und ihm zu sagen, ich wäre nicht der, den sie suchten. Deshalb frage ich nach den Genottis. Ich würde zu gern wissen, ob ich Erfolg damit hatte.«
    Reeves versuchte sich immer noch zu erinnern. »Ihr Name ist nicht gefallen, das weiß ich. Zwei hier im Haus umzubringen, das ist doch was, Tom!« Sanft lächelnd sank Reeves im Sofa zurück, als entspanne er sich seit Tagen zum ersten Mal. Vielleicht war es auch so.
    »Egal, sie kennen meinen Namen«, sagte Tom. »Ob die beiden vorhin im Auto mich erkannt haben, weiß ich nicht. Das steht – in den Sternen.« Seine letzten Worte überraschten ihn selber. Er meinte etwas wie, daß die Chancen fünfzig zu fünfzig stünden. »Ich will damit sagen«, fuhr er entschlossener fort, »daß ich nicht weiß, ob ihr Blutdurst schon gestillt ist, nun da sie heute abend Jonathan erwischt haben.«
    Er stand auf, wandte sich von Reeves ab. Jonathan war tot. Dabei hätte er nicht einmal mit ihm hinausgehen müssen. War Jon nicht absichtlich zwischen ihn und die Pistole getreten, die aus dem Wagen auf ihn gerichtet wurde? Andererseits war sich Tom nicht einmal sicher, eine Pistole gesehen zu haben. Alles war so schnell gegangen. Jonathan hatte sich nicht mit Simone versöhnt, hatte kein Wort der Vergebung von ihr gehört. Nur diese paar Minuten waren [374]  ihm verblieben, als sie sich ihm zuwandte, nachdem er fast erdrosselt worden war.
    »Reeves, sollten Sie sich nicht besser hinlegen? Oder vielleicht möchten Sie erst etwas essen. Haben Sie Hunger?«
    »Danke, aber ich glaube, zum Essen bin ich zu erschlagen. Ich sollte mich wirklich hinlegen. Vielen Dank, Tom. Ich war mir nicht sicher, ob Sie mich aufnehmen könnten.«
    Tom lachte: »Ich auch nicht.« Er zeigte Reeves das Gästezimmer, entschuldigte sich dafür, daß Jonathan ein paar Stunden in dem Bett geschlafen hatte, und bot an, die Bettwäsche zu wechseln. Reeves versicherte ihm, das sei nicht nötig.
    »Das Bett ist himmlisch«, sagte Reeves. Als er sich auszog, schwankte er vor Erschöpfung.
    Tom überlegte: Sollten

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